Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Marco (und Apple)

Marco Arment ist ein amerikanischer Softwareentwickler und Blogger. Seine Posts zählen zum besten, was das Web zu bieten hat. Sie sind kristallklar, nuanciert, gut geschrieben und von einer sympathischen menschlichen Grundhaltung getragen. Vergangene Woche geriet er in die Mühlen der Mainstreammedien und bereute einen Blogpost. Was war passiert?

„Apple’s hardware today is amazing – it has never been better.“

Mit diesen lobenden Worten beginnt Arments Artikel. Doch dann schreibt er über die Software des Konzerns und spricht aus, was Entwickler schon seit längerem bemerken und die Nutzer im Alltag immer häufiger verärgert: Apples Betriebssystem und seine Anwendungen funktionieren nicht mehr so reibungsfrei wie man es von früher zu erinnern glaubt und wie es dem Anspruch der Firma aus Cupertino entspricht. Statt dessen habe man mit Macken zu kämpfen, über die man sich vor ein paar Jahren bei Windows amüsiert habe. Das Problem beginne, wo Nutzer nur noch deshalb am Mac festhielten, weil die Alternativen noch schlechter seien. Apple müsse künftig weniger Baustellen bedienen und sich mehr Zeit nehmen, um zur alten Exzellenz zurückzukehren.

So weit, so plausibel. Auch ich hatte in meiner Besprechung von OS X Yosemite auf diese Gefahr hingewiesen. Doch einen Tag nach seinem Artikel postete Arment:

„I regret having published this.“

Der Grund:

„This morning, my words were everywhere, chopped up and twisted by sensational opportunists to fuel the tired ‚Apple is doomed!‘ narrative with my name on them. (…) Business Insider started the party, as usual, but it spread like wildfire from there. Huffington Post. Wall Street Journal. CNN. Heise. Even a televised CNBC discussion segment.“
„Instead of what was intended to be constructive criticism of the most influential company in my life, I handed the press more poorly written fuel to hamfistedly stab Apple with my name and reputation behind it.“

Und weiter:

„The small fraction that came back to my site still pushed it past the pageview totals for any posts I wrote in 2014. You might think this is a dream come true for a blogger, but it’s horrible.“

Selbstkritisch – in meinen Augen: zu selbstkritisch – räumte Arment ein, durch seine Wortwahl den verkürzten und verzerrten Darstellungen Nahrung gegeben zu haben:

„When that happens, there’s no chance to revise, no room for error, and no way to stop it. If there’s any flaw, it’s an unstoppable nightmare of embarrassment and guilt. Most people, myself included, aren’t accustomed to that level of scrutiny. Those who are usually have PR training, editors, and handlers to protect them from publishing flippant blog posts before they go to bed.“

Jeder, der mit Medien Umgang hat, wird diese Erfahrungen nachvollziehen können. Bloggerkollege John Gruber fand die richtige Einschätzung:

„The difference is not between those who write critically of Apple and those who don’t. The difference is between those whose criticism of Apple is reasoned, thoughtful, and accurate, and those whose criticism of Apple is hyperbolic bullshit.“

Und Marco Arment gehört ohne jeden Zweifel zur Gruppe der denkenden, differenzierenden, korrekt und konstruktiv kritisierenden Autoren. Bedauern hin oder her: Mit seinem ursprünglichen Argument lag er richtig: Jeder neue Bug unterläuft millimeterweise das Vertrauen in Exzellenz, bis es unrettbar wegbricht. Niemand kann das wünschen. Natürlich ist es egal, welche Firma dieses Vertrauen rechtfertigt, ob es Apple ist oder eine andere. Aber es ist wichtig, dass ein solches Vertrauen an bestimmten Stellen gerechtfertigt ist. Weil sich sonst eine Haltung verfestigt, die nicht mehr an bestmögliche Qualität glaubt. Die Ausrichtung am Besten aber ist die Voraussetzung für Produkte, die nicht nur leidlich funktionieren, sondern überraschen und begeistern.

Mehr über Apple finden Sie im Archiv.

14. Januar 2015