Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Kantine Neun: Sterneküche für fünf Euro?

Sterneküche für fünf Euro gibt es nicht einmal in Berlin. Oder doch? Vergangenes Frühjahr übernahm Michael Hoffmann die Kantine Neun in der Kreuzberger Markthalle Neun, zusammen mit seinem ehemaligen Souschef Florian Mohr und anderen Mitstreitern aus dem Margaux, dem nunmehr geschlossenen, besternten Gourmetrestaurant am Brandenburger Tor. Hoffmann hatte sich zum Kritiker der konventionellen Spitzenküche entwickelt und mit seiner aus dem eigenen Garten bespielten Gemüseküche gezeigt, wie eine saisonale, regionale und ökologisch verantwortliche kulinarische Avantgarde aussehen kann. Jetzt serviert er einen bodenständigen Mittagstisch, die Zutaten stammen erneut aus dem eigenen Garten. Sensationell sind die Preise der Tagesgerichte, die um die fünf Euro liegen. „Die Karte“, beschreiben die Kantinenbetreiber ihre Küche, „wird nach dem Gartenangebot geschrieben und wird dann geändert, wenn neue Produkte reif zum Ernten sind. Unser Fleisch beziehen wir ausschließlich von biozertifizierten Lieferanten. Fische stammen aus der deutschen Nord- und Ostsee und aus Dänemark.“ An einem heißen Tag lässt sich beispielsweise kaum ein besserer Imbiss denken als die Gurken-Kohlrabi-Kaltschale der Kantine (5,20 Euro). Sie ist frisch und voll im Geschmack, mit feiner Schärfe und den intensiven, gleichsam wilden Eigenaromen der diversen Salatblätter.

Kantine Neun

Von den vierzehn historischen Berliner Markthallen sind nur noch die Ackerhalle in Mitte, die Arminiusmarkthalle in Moabit sowie die am 1. Oktober 1891 eröffnete Markthalle IX in Kreuzberg erhalten. Dank einer Anwohnerinitiative befindet sich die 2850 Quadratmeter große Halle seit Oktober 2011 unter neuer Leitung und widmet sich seither in vielfältigen Formaten einem kleinteiligen, nachhaltigen und kulturell diversen Lebensmittelhandel. Die Kantine Neun zeigt, wie ein umfassend gutes Alltagsessen ausfallen kann. Wer wissen will, was geht, muss hin.

Markthalle Neun

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29. Juli 2015