Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Friedhof Grunewald-Forst

Seit den 1920er Jahren verzeichnete Willi Wohlberedt – ein kaufmännischer Angestellter der AEG in Berlin – die Gräber berühmter Verstorbener auf den über 250 Friedhöfen der Hauptstadt. Sein Lieblingsfriedhof, auf dem er auch selbst begraben liegt, war der Friedhof Grunewald-Forst.

Friedhof Grunewald-Forst

Ursprünglich wurde Grunewald-Forst als Selbstmörderfriedhof bezeichnet. Denn unweit des Friedhofs macht die Havel einen Knick, und an der Biegung angeschwemmte Wasserleichen begrub nicht die Kirche, die sich weigerte, freiwillig aus dem Leben Geschiedene zu bestatten, sondern die Forstverwaltung. Bekannt ist der kleine, versteckt gelegene Waldfriedhof vor allem durch das Grab von Nico, der Sängerin der Band The Velvet Underground. Auf den Tag genau heute vor 75 Jahren kam sie in Köln als Christa Päffgen zur Welt. Einer ihrer schönsten Songs heißt The Fairest of the Seasons:

„Now that it’s time
Now that the hour hand has landed at the end
Now that it’s real
Now that the dreams have given all they had to lend
I want to know do I stay or do I go“

Neue Gräber, war der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vergangenes Jahr zu entnehmen, werden auf dem Friedhof Grunewald-Forst nicht mehr angelegt. In ein paar Jahrzehnten wird er wohl wieder der Natur überlassen. Was auch der Grund dafür gewesen sein dürfte, dass einer, der hier gerne gelegen hätte, nun auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof seine letzte Ruhestätte fand. Wenige Wochen vor seinem Freitod, am 19.7.2013 um 8:12 notierte der todkranke Schriftsteller Wolfgang Herrndorf auf seinem Blog Arbeit und Struktur:

„Am liebsten das Grab in dem kleinen Friedhof im Grunewald, wo auch Nico liegt. Und, wenn es nicht vermessen ist, vielleicht ein ganz kleines aus zwei T-Schienen stümperhaft zusammengeschweißtes Metallkreuz mit Blick aufs Wasser, dort, wo ich starb.“

16. Oktober 2013