Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Hans Gugelot: ein Gestalter der Moderne

Der holländische Architekt Hans Gugelot (1920-1965) zählt zu den wichtigsten Gestaltern der westdeutschen Nachkriegsmoderne. Gugelots Werk umfasst Möbel, industriell gefertigte Haushaltsgeräte und Züge für den Nahverkehr. Von 1954 bis 1965 prägte er mit seiner Lehrtätigkeit die Hochschule für Gestaltung in Ulm (HfG) – eine Ausbildungsstätte in der Tradition des Bauhauses. Jetzt widmet sich eine Ausstellung des HfG-Archivs diesem Designer, der zu Unrecht im Schatten seiner berühmteren Kollegen Dieter Rams, Max Bill und Otl Aicher steht.

Hans Gugelot
Hans Gugelot in der HfG, 1962. Foto: Wolfgang Siol, © HfG- Archiv/Museum Ulm

Die Nachkriegsmoderne als Teamarbeit

Während der Designer Dieter Rams in den vergangenen Jahren eine mitunter kultisch anmutende Verehrung erfahren hat, stand Hans Gugelot eher im Schatten seiner berühmteren Kollegen. Dabei war der holländische Gestalter beispielsweise am für die Nachkriegsmoderne so ikonischen Erscheinungsbild der Firma Braun maßgeblich beteiligt. Die als „Schneewittchensarg“ berühmt gewordene Radio-Phono-Kombination „SK 4“ aus dem Jahr 1956 etwa hatte Rams keineswegs alleine, sondern unter Mitwirkung Gugelots entworfen.

Schneewitchensarg
Radio-Phono-Kombination SK 4 „Schneewittchensarg“. Entwurf: Hans Gugelot und Dieter Rams, Hersteller: Fa. Braun. Foto: Wolfgang Siol, © HfG-Archiv/Museum Ulm

Und auch das wohl berühmteste Produkt der HfG, der 1955 entstandene Ulmer Hocker, war eine Gemeinschaftsarbeit, nämlich von Max Bill, Hans Gugelot und Paul Hildinger. Signiert wurde das vielseitige Möbel freilich nur von Bill – Zeitzeugen zufolge mit grünem Kugelschreiber.

Knappe Ressourcen: Ökologie als ökonomischer Effekt

Gugelot gestaltete eine Vielzahl erfolgreicher Industrieprodukte: von Unterhaltungselektronik über Nähmaschinen bis hin zu Rasierapparaten.

Braun Sixtant
Rasierapparat Braun Sixtant. Entwurf: Hans Gugelot, Hersteller: Fa. Braun. Foto: Archiv Gugelot

Dass er im Ausstellungskatalog als „Wegbereiter des Systemdesign“ charakterisiert wird, hängt freilich mit seinen Anfängen in der Möbelgestaltung zusammen. Zu Gugelots Entwürfen zählen neben dem Ulmer Hocker ein unübertroffen schlichtes Bettgestell, zerlegbare Möbel sowie Möbelmontagesysteme. Mit aufeinander abgestimmten Elementen realisierte der Designer einen modularen Ansatz, der die Anpassung an unterschiedliche Wohn- und Lebenssituation erlaubt. Modularität, sparsamer Materialeinsatz und einfache Formen sind nicht nur ästhetische Statements eines modernistischen Lebensgefühls und Ausdruck wirtschaftlicher Zwänge in der Nachkriegszeit. Vielmehr werden sie im Rückblick als ökologische Formen avant la lettre kenntlich. Aus der Knappheit geboren, entwickelte Gugelot Dinge, deren Herstellung Ressourcen schont und deren Modularität eine dauerhafte, weil flexible Nutzung begünstigt.

Projektion: Don Draper interpretiert Hans Gugelot

Gugelot, der als Gitarrist in mehren Jazzorchestern spielte, verkörperte zweifellos das Lebensgefühl einer beschwingten Moderne. Im Kern folgen seine Entwürfe jedoch dem Rationalismus des Industriezeitalters. Umso interessanter ist die Interpretation, die Don Draper, der Protagonist der Fernsehserie Mad Men, einem Produkt aus dem Portfolio des Designers zukommen lässt: dem Anfang der 1960er von Gugelot für den europäischen Markt redesignten Diaprojektor Carousel der Firma Kodak.

Gugelot Kodak Carousel
Diaprojektor Kodak Carousel. Entwurf: Hans Gugelot, 1963. Foto: Ernst Fesseler, © HfG-Archiv/Museum Ulm

Draper, Kreativdirektor einer Werbeagentur, emotionalisiert die effiziente Eleganz der industriellen Gestaltungssprache. Das rationalistische Lebensgefühl, das Gugelot in Gegenstände übersetzte, kam in den 1960er Jahren an sein Ende. Überfluss und Individualisierung verlangten nach einer neuen, affektgeladeneren Produktkultur, die Draper spürt und auf das technische Objekt projiziert.

In der späten Moderne werden Produkte zu Projektionsflächen. Eine Wohlstandskultur, die ihre wechselnden Stimmungen in immer neuen käuflichen Dingen ausdrückt, ist freilich ohne ökologischen Folgeschäden nicht zu haben. Schäden, die Gugelots frühe Entwürfe, aus den Zwängen materiellen Mangels heraus, noch so klug vermieden hatte.

Ausstellung bis 20. September im HfG Archiv Ulm

Publikation bei avedition, 168 Seiten, 170 Abbildungen, 28 Euro

4. Juni 2020