Apps. Wie findet man die richtigen?
Wer sich auf die Suche nach nützlichen Apps für Smartphone, Tablet und Computer begibt, verliert sich leicht in einer unüberschaubaren Fülle reizvoller und niedrigschwellig zu erwerbender Angebote. Allein Apples App Store hält etwa 1,8 Millionen Anwendungen bereit, und jede Woche kommen Tausende neue hinzu. Wie findet man die richtigen?
Apps: Zeitfresser oder Lebenserleichterung?
Welche Apps auf dem eigenen Gerät Platz finden, wie sie angeordnet und wie oft sie gebraucht werden, hängt natürlich von den Bedürfnissen und Neigungen der jeweiligen Anwender ab. Gleichwohl ist die Erfahrung weit verbreitet, dass jemand eine Empfehlung aufschnappt, die entsprechende App herunterlädt, eventuell Geld dafür bezahlt – und sie dann vergisst. Aber auch den umgekehrten Fall gilt es zu vermeiden: das viel zu häufige Verwenden von Apps, die eher Zeit fressen als die eigene Produktivität zu steigern oder Freude zu bereiten.
Wie also kann man klugerweise vorgehen, um aus digitalen Geräten ein Optimum herauszuholen, ohne bei der Suche nach sinnvollen Anwendungen von der Fülle des Angebots überwältigt zu werden? Die folgenden Überlegungen resultieren aus Erfahrungen in Apples Ökosystem, lassen sich aber leicht auf andere Umgebungen übertragen. Sie beziehen sich nicht auf spezielle Bereiche wie Gaming oder Grafikdesign, sondern richten sich an Alltagsnutzer, die mit ihrem Konsumverhalten unzufrieden sind und ihre Geräte lieber weniger, aber besser verwenden wollen.
Fünf Tipps bei der Auswahl von Apps
Bei der Auswahl von Apps können die redaktionell erstellten Empfehlungen des App Stores ebenso helfen wie die darin verfügbaren Reviews, Ratings und Rankings.
Darüber hinaus haben sich die folgenden fünf Kriterien bewährt:
- Kriterium 1: Vor dem Herunterladen einer App sollte man sich überlegen, ob es nicht genauso gut möglich ist, mit Bordmitteln ans Ziel zu kommen. So besteht zum Beispiel nur dann Anlass, sich nach einem Regenradar oder einer Warn-App umzuschauen, wenn man mit der Wetter-App des iPhones unzufrieden ist. Reicht einem der mitgelieferte Kalender oder lohnt es sich, beispielsweise das vielfach empfohlene Fantastical anzuschauen?
- Kriterium 2: Viele Apps sind Lösungen auf der Suche nach einem Problem. Ein gutes Auswahlkriterium liegt deshalb in der Frage, ob sich die Aufgabe, bei der eine Anwendung helfen will, überhaupt gestellt hat, bevor man auf die App stieß. Im Zweifel empfiehlt sich ein kurzer Test und die rigorose Löschung, sobald der Gebrauch zu viel Aufwand erfordert oder die Anwendung am Ende doch nicht benötigt wird.
- Kriterium 3: Erweist sich eine App als Ersatz für die Lösung eines Problems im wirklichen Leben? Dann sollte man besser auf sie verzichten. Klassische Beispiele dafür sind Produktivitätsapps, mit denen Prokrastination nur verwaltet, nicht aber überwunden wird, Gesundheitsanwendungen, nach deren Download man sich nicht besser ernährt oder mehr bewegt als zuvor sowie Code-Check-Anwendungen, die im Supermarkt dann doch nicht geöffnet werden.
- Kriterium 4: Wenn die Leistung einer App ebenso in einem Browser verfügbar ist, empfehle ich aus Datenschutzgründen die Nutzung der Webapp. Denn während man etwa bei der Nutzung von YouTube im Browser die History löschen oder Erweiterungen zum Schutz der Privatsphäre einsetzen kann, ist dies bei der Nutzung der App nicht möglich. Browser wie Firefox bieten ein hohes Maß an Kontrolle und stellen eine leistungsstarke All-in-one-App dar.
- Kriterium 5: Unabhängigkeit. Wie immer lohnt es sich, bei einem Kauf auf das Geschäftsmodell des Anbieters zu achten. Finanziert sich eine Firma durch Werbung, wird sie ihre App so gestalten, dass diese möglichst häufig, möglichst lange und möglichst datenpreisgebend genutzt wird – bis hin zur systematischen Herbeiführung psychischer Abhängigkeit. Das Modell vieler unabhängiger Entwickler hingegen, seriöse Produkte gegen Geld anzubieten, begünstigt die Entwicklung von Apps, welche ethischen Ansprüchen genügen.
Ein paar persönliche Empfehlungen
Zu den fünf allgemeinen Kriterien treten speziellere, die sich auf bestimmte Kategorien von Apps beziehen.
Dienstprogramme
Auf der Ebene der Dienstprogramme lassen sich eine Reihe von Datenschutzoptimierungen vornehmen. Die Sicherheitsexperten von pCloud haben kürzlich untersucht, wie invasiv sich mobile Apps verhalten. Wer einen Blick auf die Ergebnisse wirft, wird großes Interesse an Maßnahmen zum Schutz seiner Privatsphäre entwickeln.
Zu den Möglichkeiten, mit denen ich gute Erfahrungen gesammelt habe, zählen die von der New York Times empfohlene VPN-Software Tunnelbear, der von Edward Snowden genutzte Messenger Signal und Browsererweiterungen wie beispielsweise Better.
Videokonferenzapps nutze ich vorzugsweise in der vom App Store kontrollierten und von einer sogenannten Sandbox geschützten Umgebung meines iPads, anstatt sie auf dem Schreibtischrechner laufen zu lassen.
Die vielfach empfohlene Nutzung eines Passwortmanagers leuchtet mir hingegen nicht ein, da hierfür hochsensible Daten zentral auf Cloudservern gespeichert werden, die sich letztlich jedweder eigenen Kontrolle entziehen.
Produktivität
Ein gutes Kriterium bei der Wahl von Produktivitätsapps besteht darin, ob sie dazu beitragen, das Hin und Her eines endlosen E-Mail-Austausches zu vermeiden. Gute Beispiele dafür sind Terminfindungsapps oder plattformübergreifende Projektmanagement-Anwendungen.
Langjährige Leser wissen, dass ich den RSS-Reader Feedbin seit vielen Jahren nutze und mit Nachdruck empfehle. Unterdessen können mit Feedbin nicht nur RSS-, sondern auch Twitter-Feeds und E-Mail-Newsletter abonniert werden.
Zu meinen persönlichen Lieblingsapps zählen Notiz- und Schreibanwendungen. Auch in diesem Bereich lässt sich mittlerweile viel mit Bordmitteln erledigen, darunter die Bearbeitung von PDFs mit dem Apple Pencil oder die Transformation von Handschrift in Textdateien. Mein Allzeitfavorit unter den Schreibapps bleibt die ablenkungsfreie Textanwendung iA Writer, in letzter Zeit habe ich zudem mit Tot gearbeitet und SideNotes ausprobiert. Vor allem unterwegs hat sich Just Press Record bewährt, eine App, die Sprachmemos aufzeichnet, synchronisiert und in Text transformiert.
Gutes Leben
Zu den erstaunlichsten Erfahrungen mit der Apple Watch zählt die Einsicht: Nudges wirken. Insofern leuchtet die Beliebtheit von Trainings- und Meditationsapps ein. Anwendungen, die beispielsweise 7-Minuten-Workouts begleiten, können durchaus zu einem besseren Leben beitragen. Ob dies auch für Achtsamkeits-Anwendungen zutrifft oder diese nicht vielmehr eine besonders raffinierte Form der Entfremdung darstellen, mag je nach Gusto anders beantwortet werden. Beginnt man freilich, Apps zu benötigen, die dazu dienen, von übermäßigem App-Gebrauch abzuhalten, ist es Zeit für einen Digital Detox.
Abbildung: Round Icons*
19. August 2021