Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Drei Fragen an … den Buchgestalter Friedrich Forssman

Kaum jemand kennt ihn mit Namen, doch viele schätzen seine Arbeit. Der Buchgestalter Friedrich Forssman konzipierte unter anderem Reclams Universal-Bibliothek, entwarf eine Anzahl von Suhrkamp-Titeln, verantwortet alles Gedruckte der Arno Schmidt Stiftung und gestaltete mehrere Bände der Anderen Bibliothek. Zudem kümmert er sich um das Erscheinungsbild der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und gestaltete eine Reihe von Ausstellungen.

Friedrich Forssman

Der 1965 geborene Forssman, der sich nach Schriftsetzerlehre und Grafik-Design-Studium als Experte in Sachen Buchgestaltung profiliert hat, erhielt eine Vielzahl an Auszeichnungen und schrieb eine Reihe von Standardwerken, darunter Lesetypografie (2005), Erste Hilfe in Typografie (2007, mit Hans Peter Willberg) und Detailtypografie (2010, mit Ralf de Jong). Zuletzt verfaßte Friedrich Forssman ein kleines Kompendium der Buchästhetik: Wie ich Bücher gestalte.

Friedrich Forssman Buchgestaltung

Friedrich Forssman steht für ein Verständnis von Buchgestaltung, das sich nicht auf das Schriftsetzen beschränkt, sondern zum Beispiel die Wahl des Materials in die Gestaltung einbezieht. Seine Kritik des E-Books auf dem Blog des Suhrkamp Verlags löste eine heftige Debatte aus. Buchgestaltung, sagt Forssman, sei nicht als Ausdruck der Designerpersönlichkeit aufzufassen. Der Gestalter solle vielmehr zurücktreten und eine Lesehindernisse vermeidende, dem Inhalt angemessene Gestaltung anstreben.

Schriftmuster

Für INVENTUR hat Friedrich Forssman, der Oldtimer fahrende Pfeifenraucher mit dem unbestechlichen Sinn für die Schönheit handwerklichen Könnens, drei Fragen nach seinem Qualitätsverständnis beantwortet.

Was verstehen Sie unter Qualität?

„In der Buchgestaltung werden erfreuliche Ergebnisse vor allem durch Liebe hervorgebracht. Wenn ein Buch mit Begeisterung für die Sache gemacht wurde – und einem Mindestmaß an Kenntnissen –, bezieht diese Freude des Machens auch das Moment des Teilens ein: Der Buchgestalter teilt seine Freude mit dem gedachten Leser, den er sich als ihm selbst ähnlich denkt.“

Wie setzen Sie diese Vorstellung in Ihrer Arbeit um?

„Ich strebe zunächst Arbeitsbedingungen an, unter denen ich das tun darf, was ich gut kann. Wenn der Auftraggeber – sei es eine einzelne Person, sei es eine Gruppe mit sinnvoller Projekthierarchie – weiß, was er möchte, wenn er mir Vertrauen entgegenbringt, aber auch überzeugt werden möchte, wir somit in ein Zwiegespräch kommen, ist erst einmal alles gut. Mit dem Auftraggeber zusammen stelle ich fest, wie die Aufgabe am besten beschrieben werden kann: Welche Inhalte können auf welche Weise ihre Form finden, und möglichst auch ihr Publikum? Buchgestaltung hat mit Inhalten zu tun und hat sich ihnen meist unterzuordnen, das versteht sich, aber es gibt sehr verschiedene Weisen, auf Inhalte einzugehen: historische, historisierende, formale, emotionale, neutralistische und viele mehr, und in vielen Spielarten. Wenn die Grundzüge feststehen, geht es an die Einzelheiten. Bücher entstehen idealerweise von innen nach außen: Ich beginne also mit der Suche nach der Schrift, gestalte dann eine Text-Doppelseite und von ihr aus die Überschriften, die Titelei, die Register – und am liebsten erst ganz zum Schluß den Einband und den Umschlag, die mit dem Inneren zusammenspielen müssen. Dem typographischen Detail widme ich besondere Sorgfalt: Laufweite der Schrift, verschiedene Spationierungen (etwa vor Interpunktionszeichen oder innerhalb von Abkürzungen), Großbuchstaben (die ich leicht ansperre oder sie aus Kapitälchen setze) und was all dieser Dinge mehr sind. Sehr wichtig ist die Herstellung: Wenn der falsche Leim, nämlich Heißkleber, zum Einsatz kommt, wird das Buch sich nicht leicht aufschlagen lassen, und dann ist alle Mühe für die Katz. Ein dispersionsgebundenes, fadengeheftetes Buch hingegen bleibt offen liegen, ohne daß ich es aufbrechen muß, und kostet dabei in der Herstellung nur lächerlich wenig mehr. Wenn alles gelungen ist, ist das Ergebnis ein Buch, das seinen Inhalt – und die Haltung des Auftraggebers zu demselben – dem Leser intuitiv vermittelt, ihm Vertrauen einflößt und das beim Lesen nicht nur nicht im Wege ist, sondern jenen geheimnisvollen, glücklichen Zustand, den des tiefen Lesens, fördert.“

An welchem Beispiel wird Ihr Qualitätsideal besonders deutlich?

„An jedem gelungenen Buch aus jeder Epoche: an jedem, das zum Lesen einlädt und seinen Text und seinen Leser ernstnimmt. An manchen Büchern stimmt alles, aber nicht das Ganze: Sie bleiben, bei aller formalen Gelungenheit, kalt. Bei anderen stimmt nichts, außer dem Ganzen, sie sind bei allen Schwächen ein Werk der Liebe. Und schließlich muß das Buch so solide gefertigt sein, daß es das Versprechen des gedruckten Buches einhält: einen Text unzerstörbar zu machen.“

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Abbildungen:
Autorenfoto © Cornelia Feyll
Buchumschlag © Wallstein Verlag
Seite aus einem Schriftmusterbuch von Vanderburgh, Wells & Co. New York von 1872 aus den Beständen der Houghton Library der Harvard University

1. April 2016