Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Marken im Wahlkampf. Ein Problem des politischen Konsums

Drei Marken im Wahlkampf: Apple und Louis Vuitton lassen sich von Donald Trump einspannen, John Smedley hilft Boris Johnson. Was passiert, wenn Marken sich auf die Seite populistischer Politiker begeben?

Boris Johnson und John Smedley

Vergangene Woche besuchte der britische Premierminister Boris Johnson die schottische Traditionsweberei John Smedley. Während des Besuchs ließ Johnson sich unter dem Beifall der Angestellten mit einem vor Ort gefertigten, in der Firmenfarbe gehaltenen Schal ablichten, auf dem sein Wahlkampfslogan „Get Brexit Done“ sowie das Firmenlogo abgedruckt waren. Ein Firmensprecher hob stolz hervor, Johnson sei der erste Premierminister, der das seit 1784 existierende Unternehmen besuche. Es dauerte nicht lange, bis empörte Kunden auf Twitter einen Boykott der Marke ankündigten:

„Get Smedley Gone“

Donald Trump, Apple & Louis Vuitton

Wenige Wochen zuvor begleitete Apples Vorstandsvorsitzender Tim Cook US-Präsident Donald Trump beim Besuch einer Apple Fertigungsstätte in Austin. Trump verkaufte die Besichtigung der seit 2013 existierenden Fabrik als „Eröffnung“ eines neuen Produktionsstandortes, eine Behauptung, die Cook nicht richtigstellte. Statt dessen bedankte er sich bei Trump artig für dessen Unterstützung. Die New York Times kommentierte:

„The moment was part of a bizarre afternoon in Texas, where the president played up a six-year-old factory as evidence of his three-year-old presidency’s success in bringing manufacturing jobs back to the United States.“

Auf Twitter wiederholte Trump seine Lüge und veröffentlichte ein Wahlkampfvideo, das John Gruber treffend als „a poorly-shot overexposed propaganda video by the White House, scored with bombastic music“ bezeichnete. Gegenüber der New York Times verweigerte der Konzern, der sich in einer legendären Werbekampagne mit Persönlichkeiten wie Gandhi und Rosa Parks geschmückt hatte, eine Stellungnahme zu dem Videoclip, in dem Cook den Präsidenten bei seinem Besuch begleitet und ihm mit versteinerte Mine die Hand schüttelt. Gruber:

„A low moment in Apple’s proud history, and a sadly iconic moment for Tim Cook.“

Nicht nur eine US-amerikanische Weltmarke, sondern auch eine französische präsentierte sich an der Seite Trumps. Bei der (dieses Mal: tatsächlichen) Eröffnung einer Fertigungsstätte für monogrammierte Handtaschen zeigte sich, ebenfalls in Texas, Bernard Arnault, der Chef des Luxuskonzerns LVMH, an der Seite des Präsidenten. Vanessa Friedman von der New York Times machte sich aus diesem Anlass Gedanken über die unwahrscheinliche Allianz des grobschlächtigen Amerikaners und des feinsinnig auftretenden Franzosen: „Is this good or bad for both their brands?“ Was das Luxuslabel betrifft, so zitierte Friedman eine Expertin mit den Worten:

„any brand that chooses to associate itself with the Trump administration is also associating itself with the separation of children from their parents“

Marken im Wahlkampf

Es ist leicht zu sehen, welche Motive Marken dazu bewegen, sich auf Wahlkampfauftritte mit umstrittenen Politikern einzulassen. Arnault machte bei der Eröffnungszeremonie aus seinen Geschäftsinteressen keinen Hehl, Cook ging es um Ausnahmeregelungen bei Importzöllen auf Bauteile aus China, und John Smedley sieht offenbar eine Affinität zwischen Brand und Brexit, da beide in ihrer „Heritage“-Positionierung zusammenfallen. Während der letzte Fall bei Europa-Skeptikern funktionieren mag, riskiert er den Unwillen kosmopolitisch eingestellter Kunden. Die Marke Apple hingegen mutet ihren Anhängern mit Cooks Wahlkampfhilfe für Trump viel zu, ohne an irgendeiner Stelle einen Imagegewinn verzeichnen zu können. Auch Cooks Kotau vor China und Russland trug zum Bild eines Konzerns bei, dessen CEO die Werte des Unternehmens verrät.

Marken im Wahlkampf
Marken im Wahlkampf

Auf der anderen Seite ist es leicht, gesinnungsethische Kritik zu üben, wenn man keine Verantwortung für die Konsequenzen zu übernehmen hat. Dass eine Firma wie Apple ungleich gnadenloser in der Kritik steht ist als andere, unter Umständen viel problematischer handelnde, aber unauffälliger agierende Unternehmen, ist ebenso wahr. Freilich verdankt sich diese Schieflage auch der vollmundigen Rhetorik des Konzerns.

Politische Botschaften von Unternehmen werden zumeist nur so lange goutiert, wie sie auf einer Linie mit weithin anerkannten Werten wie dem Klimaschutz oder der Gleichstellung von Minderheiten liegen. Treten hingegen Marken im Wahlkampf von Politikern auf, deren Positionen und Verhaltensweisen den Gepflogenheiten oder sogar dem menschenrechtlichen Kern westlicher Demokratien entgegenstehen, zeigt sich, wie leicht Brands beschädigt werden können.

Demokratie

Die Fallbeispiele machen deutlich, dass Gesellschaften nicht gut beraten sind, den Konsum korrekter Marken als wichtigste Ausdrucksform politischer Haltung anzusehen. Nicht nur hängt politische Teilhabe dann von den ungleichen finanziellen Möglichkeiten der Marktteilnehmer ab. Sie stößt auch rasch an ihre Grenzen, sobald Konzerne die mit ihnen assoziierten Werte Geschäftsinteressen opfern, und sei es, um ihr Überleben auf umkämpften globalen Märkten zu sichern.

Der Konsum ist eine nicht unerhebliche Möglichkeit politischer Partizipation. Rechtsstaatliche Rahmensetzung und öffentliche Debatten kann er jedoch nicht ersetzen.

Abbildungen: Round Icons*

19. Dezember 2019