Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Dear to Me. Peter Zumthor im Gespräch

Will man einen Menschen kennenlernen, kann man ihn befragen – oder ihm beim Fragen zuhören. Dear to Me, eine Sammlung von 17 Gesprächen mit Peter Zumthor, geht den zweiten Weg. Ein indirektes Porträt des Architekten, das sich aus seinen Dialogen mit Kulturschaffenden ergibt.

Dear to Me Peter Zumthor

Zum 20-jährigen Jubiläum des von ihm entworfenen Kunsthauses Bregenz traf Peter Zumthor Kulturschaffende unterschiedlichster Sparten zu jeweils einstündigen Gesprächen. So unterhielt er sich zwischen September 2017 und Januar 2018 unter anderem mit der Malerin Anita Albus, den Schriftstellern Marcel Beyer und Esther Kinsky und der Fotografin Hélène Binet, aber auch mit dem Antiquar Walter Lietha und dem Zimmermeister Ruedi Walli. Seine Gesprächspartner hatte er selbst ausgesucht.

„Ich bin ein neugieriger Mensch, ich rede gerne mit gescheiten Leuten und stelle Fragen; und wenn ich etwas von dem, was ich höre, nicht verstanden habe, frage ich gern auch mal nach.“

Bei Zumthors Gästen handelt es sich um eigensinnige Menschen, und die Gespräche mit ihnen sind Einladungen in eine Welt lebendiger kultureller Bezüge. Nicht zuletzt dank der sorgfältigen Auflistung in den Dialogen erwähnter Bücher kann man die Gesprächsfäden im eigenen Leben wieder aufnehmen. Zumthors im Wortsinn interessierte, wissen wollende, gleichermaßen hartnäckige wie humorvolle Art zu fragen macht die Lektüre zu einem Gewinn, etwa, wenn er halb im Scherz versucht, dem Philosophen Ralf Konersmann ein Haus zu verkaufen:

„Ich habe jetzt eben gehört, wovor Sie sich ängstigen. Als guter Architekt wäre ich Ihnen ein Partner, und Sie würden lernen, dass Sie von allen grossen und schönen Dingen träumen und mir davon erzählen können – Dingen, die Ihnen gut tun werden. Und dass Sie keine Verantwortung tragen für die Breite der Kellertreppe.“

So sehr sich Zumthor auf seine Gäste einlässt, so sehr lassen sich die Gespräche als Einblicke in das Denken des Architekten lesen. Es geht um das Hinschauen, um Präzision und Sorgfalt, aber auch um Routine und Wiederholung, darum, über einen langen Zeitraum hinweg an etwas arbeiten. Auffällig ist, wie sehr Zumthor sich vor Romantisierungen hütet, ohne deshalb Phänomene zu meiden, die gemeinhin gerne romantisiert werden: Landschaft, Handwerk, Vergangenheit.

„Müssten wir nicht etwas unternehmen, wenn man so denkt wie Sie und ich? Wenn man überzeugt ist, dass die Hände wichtig sind?“

Die 18 mattschwarzen, von einfachen Klammern zusammengehaltenen, aus einem festen Schuber exakt einen Zentimeter herausragenden Hefte sind objektgewordener Inhalt. Ihre simple, geriffelte Struktur erinnert an einen formschönen Heizkörper, der wärmt und zur wohligen Atmosphäre eines solide gebauten Hauses beiträgt.

Im Kern geht es bei dieser Edition um das gut Gemachte, um Qualität. Ein Leitmotiv, das in Zumhors Gespräch mit dem Zimmermann Rudolf Walli auf den Punkt gebracht wird:

PZ: „Nochmals zurück zum Handwerk und deiner Nische. Wird das Handwerkliche, wenn es ein Nischenprodukt ist, nicht teuer und deswegen etwas für die Reicheren? Ist das die Zukunft des Handwerks?“
RW: „Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Wenn es um den Preis geht, ist man gut beraten, sich zu überlegen, was man wirklich braucht. Also nicht möglichst viel für möglichst wenig Geld, sondern vielleicht für gleich viel Geld etwas Kleineres. Das ist meine Grundhaltung zu diesem Thema.“
PZ: „Du sprichst von Qualität?“
RW: „Ja, absolut.“

Dear to Me. Peter Zumthor im Gespräch. 18 Hefte im Schuber. 456 Seiten, 9 farbige Abbildungen. Zürich: Scheidegger & Spiess 2021. 150 Euro.

Lesen Sie auch den Artikel über Peter Zumthors Zeiträume.

24. Februar 2022