Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Die Geschichte in den Dingen. Peter Zumthors Zeiträume

Es ist eines dieser Bücher, die man sofort besitzen möchte: Die Geschichte in den Dingen, ein ebenso schmaler wie sorgsam gestalteter Band, der Gespräche mit dem Architekten Peter Zumthor und Fotografien von Hélène Binet enthält. Die Übersetzung ins Deutsche nahm Esther Kinsky vor.

Als erstes fallen die Farben auf: Ziegelrot, mattes Schwarz, Grau. Dann die Haptik. Das ungewöhnliche, schmale Format des Buches (11 x 19,5 cm), sein stabiler Umschlagkarton und das schwere Papier signalisieren, dass dieser Band mit Bedacht gemacht wurde – ein Eindruck, der sich nach dem Aufschlagen durch ruhige Typografie und die hohe Qualität der Abbildungen verstärkt.

Die Geschichte in den Dingen

Zwischen September 2014 und August 2017 trafen sich der Schweizer Baumeister und die norwegische Architekturhistorikerin Mari Lending zu mehreren Gesprächen, die die Grundlage des Buches bilden. 14 Schwarz-Weiss-Fotografien von Hélène Binet begleiten den Text. Sie zeigen nicht etwa Zumthors Bauten, sondern gepflasterte Wege auf der Athener Akropolis. Damit ist das Thema des Buches angesprochen: Zeit und Geschichte, wie sich sich in Umgebungen, Gebäuden und Dingen zeigen und wie sie die Entwürfe Zumthors prägen.

„Als Architekt bin ich an der angesammelten Geschichte interessiert, die in jeder Landschaft, in Orten, in Dingen gespeichert ist.“

Die Machart des Bandes hält dazu an, sich Zeit zu nehmen. Obwohl es nur 84 Seiten umfasst, enthält das Büchlein mehr Substanz als so manch unkonzentriertes Sammelwerk oder geschwätzige Monografien. Ganz so wie die besonnene Architektur Zumthors, lebt das Buch von durchdachten Ideen, die weit tragen.

Die Gespräche mit Mari Lending markieren einen Punkt im Denken des Architekten, der nicht nur die modernistische Überwindungsgeste seiner Ausbildungszeit hinter sich lässt, sondern auch seine Atmosphärenästhetik realer und konkreter als bisher fasst. Zumthor spricht nunmehr von „emotionaler Rekonstruktion“. Es ist ihm darum zu tun, „ein Gefühl für den Ort zu entwickeln“, „Spuren der Vergangenheit einzubeziehen“ und die Alterung der Dinge schon beim Entwurf zu bedenken.

„Alles ist von jemandem gemacht, von Menschen, die ich nicht kenne, von Menschen, denen ich nie begegnet bin und von denen die meisten schon längst tot sind. Das ist für mich ein zunehmend beruhigendes Gefühl; es bewirkt, dass ich mich als Teil der Welt fühle.“

Erschienen ist das Buch, wie zuvor eine fünfbändige Werkausgabe, im Schweizer Verlag Scheidegger & Spiess.

Peter Zumthor, Mari Lending: Die Geschichte in den Dingen. Mit Fotografien von Hélène Binet. Zürich: Scheidegger & Spiess 2018. 29 Euro.

Lesen Sie auch den Artikel über Peter Zumthors Gespräche.

13. Februar 2020