Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Mad Men (Episode 8): Wahrheit und Lüge

Als Junge sah Don Draper, der als Dick Whitman in einem Bordell auf die Welt kam, wie sein Vater einen armen Landstreicher belügt und um den Lohn seiner Arbeit bringt. Von dieser Szene heimgesucht, verspricht er seinem eigenen Sohn, ihn niemals zu belügen. Wie kann jemand, der so viel Wert auf die Wahrheit legt, es in der Werbebranche zu etwas bringen?

Draper, der Mann der weglief und sich in der großen Stadt neu erfand, mag ein Kapitalist sein, doch verschenkt er in Laufe der Serien immer wieder erhebliche Geldbeträge. Er mag ein Mann des Mainstream sein, doch fühlt er sich immer wieder zur Gegenkultur hingezogen. Er ist, wie Matt Zoller Seitz (in Mad Men Carousel, New York: Abrams 2015, S. 63) schreibt, „too radical to be traditional, but also too traditional to be radical“:

„Don is a young Dick Nixon on the outside, but inside, he has a rebel’s temperament. He treats people of lower social station as emotional and moral equals. And he subconsciously rejects the suburban nuclear-family fantasy that he worked so long to achieve.“

Im Village, bei seiner Geliebten Midge, raucht Don Marijuana und hört Miles Davis. Es kommt zum Streit zwischen dem Werber und den Beatniks, die bei Midge abhängen. „Toothpaste doesn’t solve anything“, wirft ihm einer entgegen, Freiheit sei eine Illusion. Draper verdreht die Augen und rät ihm, etwas aus sich zu machen. Roy, der neue Lover von Midge, greift an: „You make the lie. You invent want.“ Drapers Antwort:

„I hate to break it to you but there is no big lie. There is no system. The universe is indifferent.“

Daraufhin steckt er Midge seinen erst am Vormittag erhaltenen 2500-Dollar-Bonus-Scheck zu und fordert sie auf, sich ein Auto zu kaufen. Die Antwort des Anzeigenmanns gleicht jener, die der Soziologe Niklas Luhmann in seiner Bielefelder Abschiedsvorlesung auf die Frage gab, was dahinterstecke:

„Gar nichts!“

1. März 2016