Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Mad Men (Episode 92): The Real Thing

Die letzte Folge zeigt sämtliche Charaktere noch einmal in ihrer ganzen Tiefe – und Don in Kalifornien bei einem esoterischen retreat. Nach seiner Ankunft sagt er über die Empfangsdame: „She took my money, that’s a good sign.“ – und nimmt damit den genialen Schluß der Serie vorweg. Denn die Schließung von Mad Men fällt zusammen mit der Grundbewegung der Konsumkultur: Sie kann noch jeden Protest in Produkte überführen. Und so macht Matthew Weiner seinen Helden Don Draper zum Urheber einer der berühmtesten Kampagnen aller Zeiten, indem er in der letzten Szene den meditierenden Kopf des Protagonisten überblendet in einen realen Werbespot: die berühmte Hilltop-Ad, die ‚Dons‘ Agentur McCann 1971 für Coca Cola, das Konsumprodukt schlechthin, gemacht hat, seinerzeit der teuerste Werbespot aller Zeiten. Er zeigt eine multikulturelle Gruppe singender Hippies auf einem Hügel bei Sonnenaufgang, mit Cola-Flaschen in der Hand. Sie singen:

„I’d like to buy the world a home
And furnish it with love
Grow apple trees and honey bees
And snow white turtle doves

I’d like to teach the world to sing
In perfect harmony
I’d like to buy the world a Coke
And keep it company
That’s the real thing

What the world wants today
Is the real thing“

Matt Zoller Seitz hat auf den für Dons Verhältnisse untypisch sonnigen Charakter dieses commercials aufmerksam gemacht:

„Don starts the series by selling cigarettes and ends selling stomach- and tooth-rotting soda. But the tone of that ad is uncharacteristic of Don, whose most striking campaigns tended to have a melancholy, self-aware vibe, bordering on meta.“

Der kurze Augenblick trügerischer Positivität wird unterlaufen durch die reale Kampagne. Die Zuschauer aus dem Jahr 2015 wissen, dass die kalifornische Gegenkultur eine Kulturalisierung des Kapitalismus vorangetrieben hat, die an seinem kommerziellen Charakter nichts änderte, sondern seine Reichweite nur noch mehr ausdehnte. Der Werbesong wurde nämlich, ohne den Cola-Slogan, von den Bands The New Seekers und The Hillside Singers neu aufgenommen – und ein Top-Ten-Hit. Daran zeigt sich, dass in den 1970ern die Grenze zwischen Kultur und Kommerz endgültig kollabierte und nichts blieb als eine generalisierte, globalisierte Zirkulation von Zeichen, Emotionen und Atmosphären.

Und Don? Matt Zoller Seitz endet sein Buch mit einer versöhnlichen Note:

„he’ll be okay.“

3. Oktober 2017