Wann wird ein Buch zum Bestseller? Jörg Magenau erkundet das Erfolgsgeheimnis
Jedes Jahr erscheinen rund 100 000 neue Bücher in Deutschland, darunter rund 15 000 belletristische. Die Auflagenhöhe liegt normalerweise zwischen 500 und 5000 verkauften Exemplaren. Bestseller hingegen knacken durchaus die Millionengrenze. Was muss zusammenkommen, damit ein Buch zum Bestseller wird? Der Autor Jörg Magenau hat sich mit erfolgreichen Büchern auseinandersetzt.
Bestseller: Stimmung und Stellungnahme
Was macht erfolgreiche Bücher so faszinierend? Jörg Magenau bietet eine einleuchtete Erklärung an: Bei Bestsellern zeigt sich der Doppelcharakter des Buches als Kulturgut einerseits und Ware andererseits besonders deutlich:
„Bestseller sind das Segment des Buchmarktes, in dem man es am spürbarsten mit dem Warencharakter zu tun hat.“
Zugleich verraten Bestseller etwas über ihre Zeit. Sie spiegeln gesellschaftliche Stimmungen:
„Der Buchmarkt ist ein Spiegelbild all dessen, was sich ereignet Jahr für Jahr. Er zeigt, was uns umgibt und wie reich an Möglichkeiten die Wirklichkeit ist.“
Indem Besteller zeitgeschichtliche Befindlichkeiten aufgreifen, verdichten sie all das, was die jeweilige historische Situation ausmacht:
„Jedes Buch trifft nicht bloß auf seine Leser, sondern auch auf einen besonderen Augenblick, in dem sich all unsere Sehnsüchte, Hoffnungen, Ängste, Wissens- und Unterhaltungsbedürfnisse bündeln“
Die Pointe des erfolgreichen Buches besteht dann darin, dass es den Käufern ermöglicht, am Stand der gesellschaftliche Dinge teilzuhaben und sich zur aktuellen Situation zu verhalten, sei es zustimmend, sei es kritisch, sei es analytisch:
„Wer Beststeller kauft, kauft damit nicht einfach bloß ein Buch, sondern auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und das Gefühl, ganz dicht am Puls der Zeit zu sein.“
Worauf kommt es bei einem Bestseller an?
Natürlich besagen hohe Auflagen nicht, dass häufig verkaufte Bücher auch viel gelesen werden. Die Aufmerksamkeit, die erfolgreiche Titel erfahren sowie ihre spürbare Wirkung in öffentlichen Debatten sorgen jedoch dafür, dass Bestseller ihren Käufern das Gefühl geben, sich durch den Kauf zur eigenen Gegenwart in ein Verhältnis setzen zu können. Darin liegt ihr Versprechen.
Alles weitere – etwa Werbekampagnen, eine gelungene Umschlaggestaltung oder die Prominenz des Autors – können dabei helfen. Häufig, so Magenau, variierten Besteller bekannte Themen, und der Erfolg verstärkt sich im Laufe der Zeit gleichsam von selbst. Es helfe, wenn der Autor persönlich im Buch vorkomme. Und ein griffiger Titel könne viel zum Erfolg beitragen. Schließlich ließen Bestseller sich leicht auf den Punkt bringen:
„Er muss eine zitierbare Formel anbieten, in der sich das Buch in einer These zusammenfassen lässt.“
Magenau nähert sich seinem Thema erfreulich unvoreingenommen. Sein ebenso sachkundiges wie beispielreiches Buch ist erhellend. Eine Erfolgsformel bietet es freilich nicht an. Denn Bestseller, auch das zeigt Magenaus Buch, hängen nicht zuletzt vom Zufall ab.
Jörg Magenau: Bestseller. Bücher, die wir liebten – und was sie über uns verraten. Hamburg: Hoffmann und Campe 2018.
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