Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Über elementare Kleidung und die Marke Soeder

Es gibt Kleidung, es gibt Mode, und es gibt Basics. Basics sind Kleidungsstücke, die die Lektionen der Mode gelernt haben. Sie lassen den Wechsel der Trends hinter sich und verführen doch durch ein gewisses Etwas. Über Theorie, Typologie und Tücken elementarer Kleidung und die T-Shirts der Schweizer Marke Soeder.

Basics, Essentials, Iconics & Permanent Collections

Während Mode die Vielfalt der Formen, Farben und Texturen feiert und dem jeweiligen Zeitgefühl Trag- und Erwerbbarkeit verleiht, kommen Basics aufs Elementare zurück: ein schwarzes T-Shirt, ein weißes Hemd, ein schlichter Mantel erleichtern die tägliche Kleidungswahl. Wenn von Basics, Essentials, Iconics oder Permanent Collections die Rede ist, geht es gleichwohl nicht um unspektakuläre Normalgarderobe oder ‚Klassiker‘, sondern um perfektionierte Teile, die gleichsam um die stilistischen Reize der Mode wissen. Basics sind Alltagskleidung zweiter Stufe. Sie stimmen, wenn sie den Erwartungen einer anspruchsvollen Käuferschaft an Material, Verarbeitung, Schnitt, Farbe, Herkunft und Ökobilanz entsprechen und eine umfassende Qualitätsidee verkörpern.

Basics
Der fast fashion ebenso entgegengesetzt wie dem Luxuriösen, teilen Essentials mit ersterer das Unkomplizierte und mit letzterem die hohen Preise. Sie lassen Akzente (etwa in Form von Parfums, Tüchern oder Lederaccessoires) zu und bleiben dadurch offen für Varianz und Vanitas. Auf der anderen Seite machen sie das Schwelgen nicht zur leitenden Stilmaxime, sondern lassen es als jederzeit möglichen, Akzente hinzufügenden Überschwang mitlaufen.

Elementare Kleidung als Premium-Produkt

Basics geht es nicht primär darum, das Alltägliche zur Verfügung zu stellen (wie es etwa Uniqlo tut) oder das Banale durch Werbekampagnen mit Sex aufzuladen, worauf Brands von Calvin Klein bis American Apparel abzielen. Denn Basics versprechen zwar, tragbar, vielseitig und attraktiv zu sein, werden aber erst durch ein gewisses Etwas an Perfektion, durch kleine, oftmals nur von Eingeweihten wahrnehmbare Signale des Besonderen begehrenswert. Jean Touitou, Gründer der Pariser Marke A.P.C., fasste seine Designhaltung einmal mit den Worten zusammen, er wolle „something deep and exciting with boring elements“ machen.

Basics

Basics folgen einer vertrackten Marktlogik: Einerseits sprechen sie diejenigen an, die am ständigen Wechsel der Mode das Interesse verloren haben, ohne jedoch auf Raffinement verzichten zu wollen. Anderseits müssen die Anbieter guter Basics mit Nachfragerückgang rechnen, wenn die Kleiderschränke der Kenner erst einmal mit den ‚richtigen‘ Teilen gefüllt sind, und stehen daher unter der ständigen Versuchung, mittelfristig doch ein paar modische Momente hinzuzufügen. Darin mag der Grund dafür liegen, warum sich etwa die sogenannte Permanent Collection der Marke Jil Sander als nicht sehr dauerhaft erwies und nach wenigen Saisons im Sale ihr desillusionierendes Ende fand.

Basics

Seit Donna Karan 1985 mit Seven Easy Pieces das Konzept der Dauergarderobe in die Designermode einführte, bieten High-End-Marken Essentials an. Niemand hat dabei ein solches Niveau erreicht wie Helmut Lang, dessen ‚Minimalismus‘ erst als Wechselspiel von Perfektionsstreben und irritierendem Bruch richtig beschrieben ist. Am ehesten entsprechen heute die hochpreisigen Iconics von Tomas Maier der Grundgarderobe aus Langs Kollektionen, wobei Maier – im Hauptberuf Kreativdirektor des italienischen Luxuslabels Bottega Veneta – das Kunststück gelingt, seine alltagstaugliche Eigenmarke als Grundierung der auf Farbe und Textur setzenden Extravaganzen von Bottega Veneta zu empfehlen:

„TM steht für das Notwendige, Bottega Veneta für das Außergewöhnliche.“

Basics: Eine kleine Typologie

Neben den Permanent Collections großer Designermarken lassen sich drei weitere Typen von Basics unterscheiden:

Einfache T-Shirts und die Schweizer Marke Soeder

Kaum ein Produkt ist auf dem Basics-Markt so umkämpft wie das T-Shirt. Schlicht, schmeichelhaft, funktional, vielseitig, zeitgemäß, fair hergestellt und langlebig soll es sein – und nicht zu viel kosten. Ein T-Shirt-Test des Wall Street Journal im Mai 2017 verglich über 50 verschiedene, deren Preise zwischen 6 und 415 US-Dollar lagen. Sieger in der Kategorie „Luxe Basics“ war die von einem neuerdings auf ehrliche Arbeit setzenden Investment-Banker gegründete New Yorker Marke Handvaerk, die sich selbst als „a small, artisan label that offers a thoughtfully curated collection of high quality everyday essentials“ beschreibt. Ein ähnliches Profil hat die kanadische Marke Kotn, die damit wirbt, dass ihre Baumwolltshirts „ethically made“ seien. Auf meine mehrfach per E-Mail gestellte Frage nach den ökologischen Produktionsumständen erhielt ich von den Ethikern allerdings keine Antwort.

Soeder

Bei der 2013 von schwedischen Expats in Zürich gegründeten Marke Soeder hingegen bekommen interessierte Kunden detailliert Auskunft über die im Haus entworfenen Basics. Zunächst wurden die T-Shirts im traditionellen Schweizer Textilstandort Amriswil gestrickt und genäht, doch erwies sich der Preis von 79 CHF als zu hoch, um damit dauerhaft Handel zu treiben. Daraufhin verlagerte die in Zürich, Basel und online präsente Marke die Produktion nach Estland, wo die zu 100% aus GOTS zertifizierter Bio-Baumwolle bestehenden Damen- und Herren-T-Shirts seit einigen Jahren unter ISO zertifizierten Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Es sagt viel aus über die globale Ökonomie, dass Soeder die hochwertigen T-Shirts nun für 25 CHF (etwa 22 Euro) anbieten kann (ab Juni 2018 soll es zudem einen günstigen Versand in die EU geben). Wer Basics sucht, die erschwinglich sind und gleichwohl hohen Qualitätsansprüchen gerecht werden, wird hier fündig.

Lesen Sie auch den Artikel über Tomas Maiers Kollektion für Uniqlo.

Abbildung: Round Icons*

5. April 2018