Der Blog von Dirk Hohnsträter
Newsletter

Basics. Die Aufwertung der Alltagskleidung

Basics sind unkompliziert tragbare, vielseitig kombinierbare Kleidungsstücke: vom weißen T-Shirt bis zum schwarzen Pullover. Obwohl sie sich durch Unabhängigkeit von Modetrends auszeichnen, werden auch Basics immer wieder neu erfunden. Eine Reihe von Nischenmarken macht sich daran, Basisgarderobe zu perfektionieren und sie transparent, fair und naturverträglich herzustellen.

Basics, alt und neu

Basics wenden sich an Leute, die einen vollen Kleiderschrank haben und doch immer wieder zu dem einem, perfekten Pullover greifen. Sie sprechen Menschen an, die morgens nicht lange darüber nachdenken wollen, was sie anziehen. Und sie richten sich an Konsumenten, die es schätzen, das einmal für richtig Erachtete immer wieder kaufen zu können.

Die Idee ist alt: eine Grundlage zu schaffen, auf der alles andere, insbesondere modische Akzente, sich aufbauen lässt. Daher rührt auch die klassische Farbpalette aus Schwarz, Weiß und Grau, ergänzt allenfalls durch Navy.

Basics
Foto: © Asket

Basics werden in den unterschiedlichsten Marktsegmenten angeboten: von Massenmarken wie etwa Uniqlo über Designerbrands à la Calvin Klein bis hin zu upmarket propositions von Unternehmen wie Sunspel, Derek Rose und Zimmerli.

Vermarktet wurden Basics bislang vor allem als „zeitlose“ Grundgarderobe. Über die Herkunft der Stoffe, die sozialen Hintergründe ihrer Verarbeitung oder den ökologischen Fußabdruck der Wertschöpfungskette erfuhren die Kundinnen wenig. Seit einigen Jahren sind jedoch neue Marken in den Markt eingetreten, die Basics als Basis eines nachhaltigen Lebensstil verstehen und von einem umfassenden Qualitätsverständnis ausgehen, das die Produkte selbst ebenso umfasst wie deren Produktionsumstände.

Zwischen Stil und Wert: die neue Grundgarderobe

Die Aufwertung, welche Basics derzeit erfahren, hat mehrere Gründe:

Die neuen Basics übersetzen diese Tendenzen in Grundgarderobe, indem sie natürliche Stoffe handwerklich herstellen und verarbeiten, die Wertschöpfung transparent gestalten, auf deutlich sichtbare Logos verzichten und „everyday essentials“ vervollkommnen. Zur klassischen Farbpalette treten Nuancen wie Ziegelrot, Moosgrün oder Senfgelb hinzu; insgesamt steht jedoch eine „permanent collection“ im Zentrum, nicht die Saisonware.

Eine Reihe neuer Marken verzichtet auf Zwischenhändler, um die komplette Produktionskette kontrollieren und Kosten einsparen zu können. Sie kaufen Rohstoffe direkt von Familienbetrieben, stellen Fäden und Stoffe selbst her und lassen in kleinen Werkstätten produzieren.

Auch die neuen Basics bedienen nicht nur das Luxussegment, sondern ein breites Spektrum unterschiedlicher Nischen. Es finden sich einen breiteren Markt ansprechende Firmen wie Everlane, Midprice-Marken mit einem Akzent auf Transparenz (Asket), sozialer (Kotn) und ökologischer (Armed Angels) Verantwortung sowie high-end-brands, die schlichtweg das perfekte Produkt anstreben (Handvaerk).

Da Basics nun einmal nicht durch extravagantes Design auffallen können, konzentrieren sich die Kampagnen vor allem auf Kollateraleffekte des Kapitalismus wie den Überfluss an verfügbaren Dingen. „Every piece has a story, makes an impact and has a cost“, heißt es auf der Website der 2015 gegründeten, schwedischen direct-to-consumer-Marke Asket, die durch ihr besonders raffiniertes Marketing auffällt. Sie schließt beispielsweise am Black Friday ihren Webshop und leitet alle Kunden auf charmante Ratgeberseiten zur Pflege, Reinigung und Reparatur von Kleidungsstücken weiter. Die Etiketten in den T-Shirts geben detailliert Auskunft über Produktionsstandorte. So zeigt sich, dass ein simples T-Shirt in 8 verschiedenen Ländern und auf 3 Kontinenten hergestellt wird. Wie nachhaltig ein solches Vorgehen ist, wird freilich nicht erläutert.

Asket
Foto: © Asket

Überhaupt empfiehlt es sich, unternehmerischen Selbstbeschreibungen kritisch zu begegnen. Beispielsweise produziert die 2014 gegründete, kanadische Marke Kotn im ägyptischen Nil Delta Kleidung aus Giza Baumwolle. Sie wirbt damit, lokalen Gemeinschaften durch den Aufbau firmenfinanzierter Schulen zu helfen und eine 100% Öko-Zertifizierung der verarbeiteten Baumwolle anzustreben. Auf wiederholte Nachfragen zu ihren aktuellen ökologischen Standards antwortete mir die Firma jedoch nicht.

Auskunftsbereit zeigte sich hingegen Esteban Saba, Gründer und Managing Director des Unternehmens håndværk. Saba stammt aus Peru, wo seine Familie auf eine hundertjährige Geschichte im Textilgeschäft zurückblickt. Nach einer Karriere als Investmentbanker in New York gründete er die Marke 2013 zusammen mit seiner Frau, der Designerin Petra Brichnacova. Ziel des Unternehmens mit Sitz in Southhampton sei es, die perfekten Basics herzustellen. In deutlichem Gegensatz zum Wohlfahrtsmarketing anderer Wettbewerber betont Saba, sein Geschäftsmodell sei „not charity, but capitalism at its best“.

Handvaerk produziert in Peru, nach Auskunft des Unternehmens in kleinen Familienbetrieben, wobei die Firma den kompletten Produktionsprozess von der Ernte über die Faden- und Stoffherstellung bis zur Verarbeitung übersieht. Von Hand geerntete, langfaserige Pima Baumwolle bildet die Grundlage der Kollektion. Alpaca für Wollpullover erwirbt man direkt von den Tierhaltern; durch ein Anreizsystem sollen sozial-ökologische Verbesserungen mit der Erzeugung bestmöglicher Qualität einhergehen:

„Working to improve the genetics of the alpaca in order to produce a finer higher quality fiber and in turn increase the earnings of herders families is fundamental. Also, helping farming communities with the shearing process, putting into practice the official technical norms that ensures the animal is not harmed and the resulting fiber is sold at a higher price.
Our suppliers pay a premium price for the best lots of each community/breeder and gives special prizes to the top contestants, such prizes range from sustainable housing, livestock animals, courses in herd management and special equipment.“

Das Wall Street Journal bewertete das Basis-T-Shirt von Handvaerk als das beste seiner Kategorie („soft but not so delicate that it’s see-through“). In der Tat zeichnet es sich durch überlegtes Design, schmeichlerischen Stoff und makellose Verarbeitung aus. Die Hochwertigkeit des Produktes hat einen faszinierenden Umkehreffekt zur Folge. In Anbetracht der Qualität (und des entsprechenden Preises) wandelt sich Beschränkung von einem Vorsatz zu einem Ergebnis. Anstatt sich vorzunehmen, aus Gründen der Nachhaltigkeit weniger, aber besser zu konsumieren, will, wer einmal mit bester Qualität vertraut ist, ohnehin nichts anderes mehr haben. Bleibt die Frage, wie sehr ein auf hochpreisige Spitzenprodukte setzendes Nachhaltigkeitskonzept verallgemeinerungsfähig ist.

30. Januar 2020