Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Burning Down The House

Am Berliner Kurfürstendamm bietet sich derzeit ein entzaubernder Anblick: Die Jil Sander Boutique verlässt ihren angestammten Ort. Der großzügige, noch zu Zeiten der Gründerin von Michael Gabellini eingerichtete Laden ist nicht mehr wiederzuerkennen. Statt gediegenem Sandstein, geflochtener Sitzbänke und elegant geschwungener Kleiderständer sieht man nun herausgerissene Leuchten, Staub und Abfall.

Jil Sander Berlin Gabellini

Gabellini hatte den Geist der Marke kongenial in Architektur umgesetzt, unter anderem in seinem spektakulär schönen, bereits vor einiger Zeit von einer Abercrombie & Fitch Filiale verdrängten Londoner Laden in Mayfairs Burlington Gardens. Die Berliner Filiale zählte zu den gelungensten Einkaufsarchitekturen am Kurfürstendamm. Wie magisch-beruhigend wirkten Leder, Cashmere und Sea Island Cotton in diesem Ambiente! Jetzt scheint man sich zu verkleinern, lässt den neuen Designer ran, der nach dem Weggang von Raf Simons die kreative Leitung des Hauses übernommen hat. Seinen Kollektionen fehlt das Zwingende, Schnitte und Farben wirken ungelenk, bisweilen sogar lächerlich. Es bleibt eine teure Marke, die nicht mitteilen kann, warum ihre Kundinnen exorbitante Ladenmieten mitbezahlen sollen. Wie schnell der Zauber verfliegt, wie viel an einer einzelnen Person hängt im Geschäft mit den Ware gewordenen Werten, das kann beobachten, wer dieser Tage die Charlottenburger Baustelle passiert.

1. Juni 2016