Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Nach der Designermode (1): Harris Wharf London

Designer treiben die Mode voran, keine Frage. Allzu oft jedoch verschwindet die Handschrift einer prägenden Gestalt im Zuge immer weiterer Expansion, bleibt von einer Persönlichkeit nur der Markenname. Zudem sorgen verdunkelte Produktionsbedingungen, handwerkliche Mängel und unkundige Beratung dafür, dass immer mehr Kunden sich von überteuerter Designermode abwenden. Auf der anderen Seite haben traditionelle Hersteller und kleine Firmen von der Designermode gelernt und erschöpfen ihr Angebot nicht länger in altmodischen Schnitten. In einer kleinen Reihe stelle ich Unternehmen vor, die durch die Qualität ihrer Produkte überzeugen und sich den Umweg über Starpersönlichkeiten, Modenschauen, teure Lagen und aufwändige Kampagnen sparen. Den Anfang macht eine Marke, die beinahe zu schön ist, um wahr zu sein: Harris Wharf London.

Harris Wharf London

Hält man sich vor Augen, dass die Stoffe aus Italien stammen und die Stücke in Italien und England von Hand gefertigt werden, überraschen die moderaten Preise, die etwa ein Drittel vergleichbarer Designerteile betragen. Der Hintergrund des Unternehmens erklärt, wie das möglich ist: Bei Harris Wharf London handelt es sich um eine 2009 in Nordostlondon von Aldo und Giulia Acchiardi gegründete Marke, die auf die Infrastruktur eines 1929 von den Urgroßeltern der Geschwister Acchiardi errichteten Textilbetriebes in Turin zurückgreifen kann. Aus robusten, schön texturierten Wollwalkstoffen geschnittene, ungefütterte Jacken und Mäntel, die häufig unversäumte Kanten haben, bilden den Kern der Kollektionen. Sorgfältige Schnitte sowie klassische Farben und Muster zeichen die Linie aus, die mit Sinn fürs Detail gefertigt wird. Zeitgemäß wirken die Stücke durch ihren lässig-bequemen Stil, der dank festem Stoff und körpernahem Schnitt gleichwohl Struktur hat und die Träger auf unkomplizierte Weise angezogen erscheinen lässt.

Harris Wharf London

So erklären sich Preise zwischen 319 und 390 Euro für eine Jacke (bei Damen wie bei Herren) durch die familiäre Fertigungstruktur, den Verzicht auf aufwändige Innenkonstruktionen sowie Zurückhaltung bei Marketingausgaben. Design, Material- und Verarbeitungsqualität stehen dabei nicht im geringsten hinter Marken zurück, die gut und gerne das Dreifache für ähnliche Stücke verlangen. Es geht eben auch anders.

Weitere Folgen dieser Serie beschäftigen sich mit den elementaren Schuhen von Common Projects, dem diskreten Strickwarenspezialisten Malo und der modernistischen Lederwarenmarke Valextra.

20. März 2015