Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Was ist ein gutes Verkaufsgespräch? Beispiel Weinkauf

Ein neues Weingeschäft hat eröffnet, nicht weit von meiner Wohnung. Die Auslagen sehen vielversprechend aus, ich gehe hin – und lasse gleich beim ersten Besuch mehr Geld dort, als ich vorhatte. Lag es am Verkaufsgespräch?

Geld und Möglichkeit

Um die Attraktivität eines Verkaufsgesprächs zu verstehen, muss man sich klar machen, worin der Reiz des Kaufens besteht. Er liegt – zunächst einmal – im Kaufenkönnen. Kaufen kann, wer Geld hat. Bereits 1900 sah Georg Simmel in der Ermöglichung das Wesen des Geldes. Geld eröffnet Möglichkeiten. Wer Geld hat, kann wählen, hat die Freiheit, das zu erwerben, was er haben will. Diese Potenz und das damit verbundene Umworbenwerden ist ein ungemein attraktiver Zustand. Aber was kann ein Verkäufer tun, um jemanden dazu zu bringen, genau das zu kaufen, was er gerade im Angebot hat? Wie hat der neue Weinhändler mich dazu gebracht, mein Geld gerade bei ihm zu lassen?

Wert und Sortiment

Käufliche Dinge haben nicht nur einen Preis, sondern auch einen Wert. Der Wert erstreckt sich nicht nur auf den materiellen Wert oder die darin steckende Arbeit, sondern auf die mit den Produkten verbundenen generelleren Werte. Im Fall meines Weinkaufes hat der Händler es geschafft, gemeinsame Werte aufzurufen: Lebensfreude, regionaler Charakter der Weine, biologischer Ausbau. Aufgrund dieser in seinem Angebot repräsentierten Werte bin ich bereit, es mir näher anzuschauen und mehr dafür auszugeben als für Weine, die diesen Werten nicht entsprechen.

Das Sortiment des Ladens war klein, ich sah es mir zur Gänze an und stellte rasch fest, dass ich etwa zwei Drittel der vertretenen Weingüter bereits kannte und schätzte. Offenbar bot dieser Mann Wein an, der mir gefiel. Umso interessierter war ich am verbleibenden Drittel. Denn ein Händler, die viele meine favorisierten Winzer anbietet, hat vermutlich Entdeckungen gemacht, die mir ebenfalls zusagen könnten. An diesem Punkt begann er zu berichten, dass er nicht auf die üblichen Messen fährt, sondern seine Winzer persönlich kennt und Neues über Entdeckungen auf Reisen und persönliche Empfehlungen hinzufügt. Er geht also unkonventionell vor und nimmt mir die Mühe des Suchens ab – dafür bin ich bereit, Geld auszugeben.

Probe, Knappheit und Dringlichkeit

Es dauerte nicht lange, und ich hielt ein Verkostungsglas in der Hand. Es handelte sich um das Burgunderglas von Zalto, eines der teuersten, empfindlichsten und besten Weingläser auf dem Markt. Natürlich fühlte ich mich mit diesem Glas wertgeschätzt und begann verschiedene Weine zu probieren. Interessanterweise kam es nun gar nicht mehr darauf an, dass mir alle Weine gefielen, die der Händler mir einschenkte. Tatsächlich habe ich keinen einzigen davon gekauft. Das Probierenkönnen generell und die darin liegende Geste schufen eine Vertrauenssituation, die die Kaufbereitschaft steigerte (neben dem Alkohol, versteht sich).

Verkaufsgespräch

Ich begann auszuwählen und stellte fest, dass bisweilen nur noch wenige Flaschen eines Weines im Regal standen. Von diesem Jahrgang käme keine Nachlieferung mehr, ließ mich der Händler wissen, und da ich um die Güte des Jahrgangs wusste, entstand eine Situation der Knappheit und Dringlichkeit: Griffe ich zu, hätte ich mir die Flaschen gesichert. Wartete ich ab, könnte es zu spät sein. Also griff ich zu.

Unverkäuflichkeit im Verkaufsgespräch

Wert, Sortiment, Probe, Knappheit, Dringlichkeit – hätte es der Händler bei diesen Elementen belassen, er wäre ein guter Verkäufer. Doch es handelte sich um einen sehr guten Verkäufer, weil er – ich hatte die Kreditkarte bereits auf den Tresen gelegt – etwas tat, was meine Verblüffung und Zufriedenheit so sehr steigerte, dass ich den neuen Weinladen gewiß erneut aufsuchen werde. Er säuberte mein Verkostungsglas, verließ kurz den Verkaufsraum und kam mit einer angebrochenen Flasche Weißwein zurück. Diesen Wein verkaufe er nicht, sagte er, doch müsse ich ihn unbedingt probieren. Es handelte sich um einen formidablen Chenin Blanc von der Loire, den La Jalousie der Domaine du Closel aus dem Jahrgang 2015: pur, klar, kühl und mineralisch, wunderbar unaufdringlich, sehr fein und doch auf elegante Weise präsent. Durch das Einschenken von etwas, das nicht zum kommerziellen Kreislauf gehörte, geriet der Akt des Kaufens beinahe in Vergessenheit und das Teilen von Werten rückte in den Vordergrund. Keine Frage, ich hätte den Wein gekauft.

20. April 2017