Made in Portugal. Eine Entdeckungsreise
Eine weit zurückreichende Handelstradition in Verbindung mit einer lebendigen Kreativszene hat dafür gesorgt, dass die Herkunftsbezeichnung „Made in Portugal“ in den vergangenen Jahren immer mehr zum Indikator vielfältiger Qualitätsproduktion geworden ist. Ein Streifzug durch Porto mit Entdeckungen in den Bereichen Lebensmittel, Körperpflege, Textil und Haushaltswaren.
Auf der Rua da Senhora da Luz öffnet sich eine Tür. Hinter der bröckelnden Fassade hat eine alte Dame ein Paar Kisten frisch gefangenen Fisch auf den Boden gestellt: der Verkauf kann beginnen. Sogleich bildet sich eine Schlange interessierter Kunden, die die Ware sorgfältig begutachten. Welches Gericht mag man damit zubereiten können?
Die kleine Szene steht stellvertretend für die lebendige Konsumkultur der direkt am Atlantik gelegenen, nordportugiesischen Stadt Porto. Frische Lebensmittel tragen hier ebenso zur Lebensqualität bei wie um die Jahrhundertwende gegründete Haushaltswarenläden und eine junge Kreativwirtschaft. Porto bietet – noch – ein austariertes Angebotsspektrum, das kräftigen, unter Neonröhren aus der Zeit der Diktatur servierten Espresso für 75 Cent ebenso umfasst wie Sterneküche in preisgekrönter Gegenwartsarchitektur.
Während der Tourismus manchen Ort, darunter das Café Majestic von 1921 oder die dreistöckige Buchhandlung „Lello“ mit ihrer imposanten, schwungvoll gerundeten Holztreppe, fest im Griff hat, werden von der Gentrifizierung bislang verschonte Kaffeehäuser wie die 1896 gegründete Confeitaria do Bolhao in der Rua Formosa 339 oder die Confeitaria Serrana in der Rua do Loureiro 52 auch von Ortsansässigen gerne frequentiert. Es ist die Mixtur, die Portugals vermeintliche „second city“ so attraktiv macht. Besser noch als in der Hauptstadt Lissabon lässt sich hier eine vielseitige Ökonomie entdecken, die in den vergangenen Jahren immer stärker ins Blickfeld derer gerückt ist, die sich für die Entwicklung der Qualitätswirtschaft in Europa interessieren.
Made in Portugal: portugiesische Produkte zwischen Tradition und Innovation
Portugal war die erste weltumspannende Handelsmacht und verfügt über eine entsprechend weit zurückreichende Wirtschaftsgeschichte. Im Industriezeitalter errichtete Gustave Eiffel spektakuläre Eisenbrücken über den Fluss Douro, der die Stadt Porto teilt. Von der Industrialisierung zeugen auch die alten, 1905 eingeführten Straßenbahnen mit ihrem kunstvoll gedrechselten Holz, patinierten Metallbeschlägen, dunkelgrünen Stoffrollos und bequemen Ledersitzen. Von nackten, leicht auszuwechselnden Glühbirnen beleuchtet und überaus robust gebaut, vermitteln sie einen unbeirrbaren Glauben an die Zukunft. Ausgerechnet diese Produkte industrieller Naturausbeutung erscheinen im Rückblick als verantwortliche Nutzung kostbarer Ressourcen. Aber nicht um die Verklärung längst zum nostalgischen Relikt gewordener Industriegüter soll es im Folgenden gehen, sondern um die Wiederbelebung und Weiterentwicklung traditioneller Produkte und Fertigungsverfahren.
Lebensmittel
Zu den kulinarischen Erzeugnissen Portugals zählt nicht nur frischer, sondern vor allem konservierter Fisch, darunter der getrocknete, eingesalzene Kabeljau mit dem Namen Bacalhau sowie eine enorme Vielfalt an Dosenfisch. 23 Fabriken exportieren jährlich mehr als 50 000 Tonnen Fischkonserven, vornehmlich Sardinen und Thunfisch, verpackt in ansprechend bedruckte Dosen. In Deutschland kann man eine große Auswahl davon über den Berliner Feinkosthändler Maître Philippe beziehen.
Ein weiteres Exportgut des Landes ist Kork. Portugal verfügt nicht nur über eine vitale Weinszene, zu deren Produkten unter anderem der in Porto produzierte Portwein zählt, sondern ist mit einem Marktanteil von 54% auch der weltweit größte Korkproduzent. Die Korkeichen wachsen im Süden des Landes.
Während die große Markthalle in Porto seit Jahren kernsaniert wird, verkauft eine Vielzahl kleiner, traditionsreicher Geschäfte in der Nähe der Halle weiterhin Delikatessen, unter ihnen herrlich eingerichtete Familienbetriebe wie A Pérola do Bolhão aus dem Jahr 1917 und das 1934 gegründete Geschäft A Favorita do Bolhão. Man meint, die Großmütter aller Unverpacktläden zu betreten, wenn zwischen Bonbons in Glasbehältern und Nüssen in Schütten die Gerüche so intensiv in der Luft liegen, dass sie auch durch eng anliegende „Mund-Nase-Bedeckungen“ dringen.
Eines der alten Lebensmittelgeschäfte, die Queijaria Amaral, wurde rund 30 Jahre lang von Maria José da Silva geführt, die neben ihrer Arbeit im Laden als Filmemacherin reüssierte. Inculta TV hat diese ungewöhnliche Händlerin, die zugleich Produzentin, Drehbuchautorin, Regisseurin, Schauspielerin, Filmkomponistin, Kostümbildnerin, Castingagentin und Kreativdirektorin war, in ihrem Laden interviewt. Das Anschauen des kurzen Videos lohnt sich, selbst wenn man kein Portugiesisch spricht.
Körperpflege & Rasur
So wenig wie die Unverpackt-Kultur stellt der aktuelle Kult um die Männerrasur aus portugiesischer Sicht etwas Neues dar. Barbiersalons müssen in Portugal nicht von Hipstern neu erfunden werden, stammt doch die wohl berühmteste Rasiercreme Europas, Musgo Real, aus Porto. Der Herstellerfirma Claus Porto gelang in den vergangenen Jahren ein mustergültiges Rebranding, zu dem auch ein von der Londoner Parfumeurin Lyn Harris kreierter Jubiläumsduft beitrug.
Unter den Körperpflegeprodukten Made in Portugal, die längst ihren Weg in die Concept Stores der Welt gefunden haben, findet sich auch die Zahnpastamarke Couto. Der 1932 gegründete Familienbetrieb verkauft seine scharfe Paste in schicken Aluminiumtuben und verpackt sie in Pappschachteln mit markant orangefarbenem Design.
Textilien & Schuhe Made in Portugal
Verblasst ist das Bild von Maßschneidern im Londoner Stil, die melancholischen Poeten bei der Anprobe ein Glas Port servieren. Doch das bedeutet nicht, dass Mode made in Portugal ein Mythos wäre. Auf den Etiketten von Textilmarken, die Wert auf eine korrekte Herkunft ihrer Produkte legen, steht immer häufiger nicht etwa Made in France oder Made in Italy, sondern Made in Portugal. In ihrer Ausgabe vom 26. Juli 2020 schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung:
„Hinter der Region um Porto und Guimarães liegt eine vielversprechende Textiltradition und vor ihr eine noch vielversprechendere Zukunft. Der Norden des Landes dient als Hinterhofhersteller für viele internationale Modemarken mit reinem Produktionsgewissen made in Europe. 2018 7,3 Milliarden Jahresumsatz stark.“
Eine kleine Zahl lokaler Firmen hat sich traditionellen Stoffen verschrieben, darunter die im ehemaligen Textilbezirk Portos ansässige, seit 1905 existente und seit 2011 wiederbelebte Firma Armazém dos Linhos. Eine lokale Besonderheit ist die Stoffart Burel, eine wasserdicht gewebte Wolle, die in der Region Manteigas der Serra da Estrela, dem höchsten Gebirgsmassiv Portugals, hergestellt wird. Zu den Produzenten zählen der 1925 gegründete Familienbetrieb Ecola sowie die 1947 gegründete und 2010 neu aufgestellte Lanificio Império, die Decken mit ungewöhnlichen Texturen und Wandbehänge herstellt, darunter solche, die den Schall absorbieren und beispielsweise im Lissabonner Hauptquartier von Microsoft genutzt werden.
Besonders interessant wird es, wenn traditionelle Fertigung mit zeitgenössischem Design verbunden wird, wie es eine Reihe portugiesischer Slow Fashion Brands versucht. Nicht nur Textilien, auch Schuhe verfügen in Nordportugal über eine lange Fertigungstradition. Die 2014 von Isabel and José Maria in Lissabon gegründete Marke Jak knüpft daran an und bietet mit ihren hochwertigen, minimalistischen Modellen eine erschwinglichere Alternative zu etablierten Marken wie Common Projects an.
Eisen- und Haushaltswaren
In seinem Buch The Good Life. Perceptions of the Ordinary schwärmt der britische Designer Jasper Morrison von den Haushaltswarenhandlungen in Porto:
„I sometimes feel while walking around this town that I am in a dream where all the stupid values that are attached to useless things have been reversed, only useful things are in demand, and where a nail can still be bought from a wooden box. A world free of blister-packed goods from distributors of cheaply made junk from far away places, where the small scale manufacturer of something useful and charming still has a place. How can it be that corporate tentacles have not yet strangled this beautiful place?“
Tatsächlich finden sich in Porto auch heute noch überdurchschnittlich viele alteingesessene Eisen- und Haushaltswarenhandlungen. Da ist, beispielsweise, der 1927 gegründete und seit 1953 an derselben Adresse ansässige Bürstenmacher Escovaria de Belomonte.
Oder die Rua do Almada, eine Straße mit einem erstaunlichen Spektrum an Spezialisten, die von Beschlägen über Kurzwaren bis zu Kunststoffprodukten ihre Waren in enzyklopädischer Fülle anbieten.
Besonders bemerkenswert ist die Eisenwarenhandlung Carvalho, Batista & Cª, Sa, 1953 gegründet und seit 1967 am heutigen Standort ansässig. Besser als ihren Wettbewerbern gelang dieser Firma der Sprung in Gegenwart, liefern sie doch Architekten wie den beiden portugiesischen Pritzker-Preisträgern Álvaro Siza Vieira und Eduardo Souto de Moura, Designern aus aller Welt und interessierten Privatleuten Einzelanfertigungen in hoher Qualität.
Produkte Made in Portugal finden
Wer sich in Porto auf die Suche nach traditionellen Betrieben machen möchte, kann sich an Tafeln mit der Aufschrift Porto de Tradição halten, einer offiziellen Auszeichnung des Tourismusverbandes. Junge Designer aus Portugal stellt The Feeting Room vor. Die Filiale in Foz erläutert die Herkunft der Produkte und die Konzepte der Designer auf informative Weise. Schließlich versammelt der aus Lissabon stammende Concept Store A Vida Portuguesa eine sorgfältig kuratierte Auswahl einheimischer Produkte. Er hat in Portos Rua Cândido dos Reis 36 eine besonders schöne Filiale eröffnet und betreibt einen eigenen Webshop. Ein letzter Tipp: die in limitierter Auflage hergestellten, bezaubernden Papierwaren von Serrote.
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