Moderner Luxus: Die sieben Kriterien von Leanluxe
Leanluxe ist ein newsletterbasiertes Online-Branchenblatt des PR-Managers M. Paul Munford. Es widmet sich einem zeitgemäßen, nachhaltigen Konsum, der sich vom Massenluxus etablierter Modemarken abheben will. 2016 erschien die erste Ausgabe, 2017 will die Website das nun schon recht lange andauernde Beta Stadium verlassen. Ich bin Abonnent der ersten Stunde. Was lässt sich aus der Lektüre von Leanluxe über Qualitätswirtschaft und wertgeleiteten Konsum lernen?
Die Leanluxe-Idee: zeitgemäßer Luxus
Die Grundidee des Magazins lautet: Luxuskonzerne wie LVMH, Richemont und Kering haben sich von den Qualitätsstandards verabschiedet, die einst zur Gründung der in ihnen zusammengefassten Häuser führten. Neue, stark von der Digitalisierung geprägte und zumeist einer minimalistischen Ästhetik folgende Marken treten zu ihnen in Konkurrenz und verkörpern einen modernen Luxus. Doch was genau versteht Munford darunter? Der Newsletter von Leanluxe ist eher unübersichtlich aufgebaut, die Beta-Website enthält viele Bugs, aber wenn man sich auf die Inhalte einlässt, ist Leanluxe informativ und anregend. Thematisch erinnert das Blatt stark an das Magazin Monocle von Tyler Brûlé, der häufig zitiert wird. Im Gegensatz zu Brûlé versucht Munford stärker Debatten anzustoßen: er teilt gegen teure low-quality-Marken wie Michael Kors aus, kritisiert aber auch angesehene Häuser wie Hermès.
Sieben Kriterien für Hochwertigkeit
Als Richtschnur eines modernen Verständnisses von Luxus nennt Leanluxe sieben Kriterien:
- „Quiet Confidence in Branding“: Das Produkt ist wichtiger als Logos, „celebrity-driven marketing campaigns“ und lauter Statuskonsum.
- „Virtue of Product“: Außergewöhnlich hohe Qualitätsmaßstäbe, ständige Verbesserung, Verfeinerung und Perfektionierung.
- „Transparency and Credibility“: Warum existiert eine Marke, wer steckt dahinter, wie werden die Produkte gemacht?
- „A Rejection of Scale for Scale’s Sake“: Expansion muss einen guten Grund haben und darf nicht zulasten der Qualität gehen oder das Ethos einer Marke unterlaufen.
- „Specialization“: Marken sollen eine oder wenige Sachen wirklich gut machen, anstatt viele für alle. Keine umfassenden Kleidungskollektionen oder Lifestyle-Linien!
- „Solving real problems“: Ein klarer Nutzen, ein zwingender Grund zu existieren muss gegeben sein.
- „A Full Embrace of Today’s Consumer-Centric Economy“: Convenience und Customization als Kernelemente der Kauferfahrung.
Munfords Marktdiagnose greift ein Unbehagen an hochpreisigen Marken auf, dem zuzustimmen leicht fällt: Warum mehr bezahlen für aufwendige Kampagnen, teure Lagen und in großen Auflagen hergestellte Produkte, wenn die Qualität nicht stimmt? Warum Marken vertrauen, die mit der Atmosphäre Italiens werben, aber in Vietnam produzieren? Warum einen Regenmantel von einem Lederwarenspezialisten kaufen?
Qualität und Mainstream
Doch so sehr die Leanluxe-Liste überzeugt, so wenig leuchtet es ein, die meisten ihrer Punkte lediglich auf den Luxusmarkt zu beziehen. Koppelt man bestimmte Qualitätsmaßstäbe primär oder gar ausschließlich an den Premiummarkt, bleibt für den Mainstream nur das Minderwertige, das dadurch zum Normalfall erklärt wird. So zementiert das neue Luxusverständnis, das sich zurecht vom Distinktionsluxus alten Typs abhebt, soziale Verwerfungen, anstatt das demokratische Anliegen der Moderne zu teilen, gute Waren auch in der Breite zugänglich zu machen. Luxus mag im Raren und Verfeinerten sowie in exzeptionellem Service liegen. Abkehr von Logos, Zuwendung zur Produktqualität, Fachkenntnis und Transparenz der Wertschöpfungskette hingegen sollten nicht nur Merkmale des Außergewöhnlichen, sondern auch des Alltäglichen werden.
4. Mai 2017