Haßloch: Testmarkt der Marktforschung
Haßloch in Rheinland-Pfalz ist die Angela Merkel des Konsums. Denn Haßloch ist die Mitte. Hier entsprechen die wichtigsten Parameter der Marktforschung – Bevölkerungsstruktur, Haushaltsgröße, Kaufkraft und vieles mehr – dem deutschen Durchschnitt. Deshalb hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) den 20.000-Einwohner-Ort 1986 als Testmarkt ausgewählt. Etwa 3400 Haushalte sind daran beteiligt.
In Haßlocher Supermärkten kann man Produkte kaufen, die es noch nirgendwo anders zu kaufen gibt und vielleicht auch niemals zu kaufen geben wird. In 2500 der Testhaushalte werden eigens produzierte Fernsehwerbespots gesendet; die Hälfte des Panels erhält zudem die Zeitschrift Hörzu mit Anzeigen für die Probeprodukte, um herauszufinden, wie die Werbung ankommt.
Sechsstellige Summen geben Konzerne aus, um in diesem repräsentativen Ort zu testen, ob die bundesdeutschen Verbraucher möglicherweise eine neue Geschmacksrichtung bei Kartoffelchips kaufen werden oder ein anderes Toilettenpapier. Der künftige Marktanteil eines Produktes, so die GfK laut brand eins, könne auf ein Prozent exakt vorausgesagt werden.
Ich habe mich nach Haßloch begeben und dort Eindrücke gesammelt. Mein Versuch, im Edeka-Markt ein Versuchsprodukt ausfindig zu machen, blieb ohne Erfolg. Zu groß ist die Auswahl, zu sehr ähneln die Testprodukte dem etablierten Sortiment.
Haßloch: Inbegriff einer Wirtschaftsform, die Quantifizierung vor Urteilskraft setzt, ohne dabei an Lebensqualität zu gewinnen.
11. September 2015