Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Konsum und Politik

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, äußerte sich vergangene Woche zu seinem Konsumverhalten. Er esse „drei- bis viermal pro Woche“ Fleisch, „auch in Restaurants, die kein Biofleisch verwenden“. Für einen führenden Politiker der Nachhaltigkeitspartei eine erstaunliche Aussage. Auf Nachfrage des Spiegel (Nr. 22 vom 28. Mai 2016, S. 42f.) fügte Hofreiter hinzu, er sei sich darüber im Klaren, dass sein Lebensstil nicht verallgemeinert werden könne. Er ändere ihn aber dennoch nicht, denn:

„Manchmal schalte ich auch einfach mal ab, wie jeder, ich bin ein Genussmensch.“

Was, fragt man sich, ist an einem Grünen noch grün, wenn er das Grundproblem ökologischer Verantwortung und letztlich jeder Ethik, nämlich die räumliche und zeitliche Universalisierbarkeit des eigenen Verhaltens, mit dem Hinweis auf menschliche Schwäche und schwer zu erreichenden Strukturwandel entpersonalisiert? Hofreiters Satz ist auf mehreren Ebenen enttäuschend. Er suggeriert, verantwortlicher Fleischkonsum und genussvolles Leben schlössen einander aus, was sicher nicht zutrifft. Er sieht im Genuss nicht wertgeleitetes, wissendes Handeln, sondern mit einer zur anthropologischen Generalaussage („wie jeder“) hochgezogenen, technizistischen Metapher entlastendes „Abschalten“.

Vermutlich sollte man solche Sätze nicht allzu ernst nehmen, sondern eher als Anbiederung an potentielle Wähler lesen, die der promovierte Biologe für dümmer hält als sich selbst. Es gehe ihm, sagt Hofreiter, lediglich darum „das Bewusstsein zu schärfen“. Etwa mit der laschen Selbstaussage, auch nicht verantwortlicher zu leben als andere? Anstatt sich – wie beispielsweise die Obamas mit ihrem White House Vegetable Garden – als anregendes Vorbild zu präsentieren, unterbietet er lieber, was für viele Bürger längst genussvolle Selbstverständlichkeit ist. Schwach!

10. Juni 2016