Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Qualität ohne Nostalgie: Modernisiert sich Manufactum?

Manufactum ist die große Hassliebe deutscher Akademiker. Man schätzt die Solidität der Produkte, ist fasziniert von der intellektuellen Konsequenz des Unternehmens und hegt doch Vorbehalte gegenüber konservativen Verlautbarungen, ironiefreien Katalogtexten und selbstgerechter Attitüde.

Jetzt geht das Unternehmen in die Offensive und erneuert einen Teil des Sortiments, der besonders altbacken daherkam: die Damenbekleidung. 90% der Produkte werden zugunsten modischerer Teile von 21 Eco-Fashion-Designern ausgetauscht, meldet das Branchenblatt Textilwirtschaft. Man setze, heißt es aus dem bislang für Anglizismuskritik bekannten Haus, auf „junge, casualige“ Stücke und „launche“ zur Präsentation einen eigenen Blog. Erstmals in der 28-jährigen Firmengeschichte präsentiert das Handelsunternehmen die Kleidung auch an Models und wird im Bereich Sozialer Medien aktiv. Im Sommer soll die Modernisierung des Angebots für Herren folgen.

Manufactum

Während Branchenbeobachter den Hintergrund der Initiative darin vermuten, dass es Manufactum an junger Kundschaft mangelt, verkauft das Unternehmen den Wandel als Bewußtseinswandel: Man wolle weg vom Eurozentrismus, heißt es auf dem neuen Blog, es gehe um Transparenz und sozialökologische Verantwortung weltweit. Das leuchtet ein, doch liegt der eigentliche Knackpunkt nicht im räumlichen Fokus des Hauses, sondern in seinem Verhältnis zur Zeitlichkeit. Dass Manufactum die Mode in haltloser Paradoxie als „zeitlos“ auffasst, deutet darauf hin; dass der Slogan von den „guten Dingen“, die es „noch“ gebe, von der Erneuerung einstweilen unberührt bleibt, bestätigt es: Manufactums Markenkern bestand bislang darin, den Qualitätsgedanken mit der Vergangenheit engzuführen. Ihn von Nostalgie zu lösen und als Zentrum einer wohlverstandenen Modernität aufzufassen: darin liegt die eigentliche Herausforderung.

Abbildung: © Manufactum-Pressebild

11. Dezember 2015