Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Wilder Wein. Die Leidenschaft des Giorgi Natenadze aus Georgien

Georgien hat eine uralte, 8000 Jahre zurückreichende Weintradition. Das lateinische Wort vino soll auf das georgische gvino zurückgehen. Zur altgeorgischen Weinkultur zählt unter anderem das Eingraben von Tonamphoren (Quevris), in denen der Wein vergoren und ausgebaut wird. Diese Art der Weinbereitung gilt in der Naturweinbewegung wieder als wegweisend. Doch das kaukasische Land bietet noch eine ganz andere Besonderheit, die kaum jemand kennt: wilden Wein. Giorgi Natenadze hat sich ihm verschrieben.

Weinland Georgien

Wer jemals einen Blick auf die Weinbaulandschaften Georgiens geworfen hat, wird sich ihrer Faszination kaum entziehen können:

Was am Kaukasus Tradition hat, gilt unter Naturweinliebhabern als Avantgarde: spontan vergorene, ungeschwefelt und ungefiltert hergestellte Weine. Im Gegensatz zu einem früh zugänglichen, frisch und primärfruchtig gehaltenen Stil fallen solche Weine zumeist oxidativ und stark gerbstoffbetont aus – eine Richtung, die Geschmackserwartungen herausfordert und Zeit verlangt:

„Exzentriker wie der friaulische Winzer Josko Gravner entdeckten für sich die alte georgische Methode neu, bei der die gesamte Maische mit Schalen und Stielen ohne Zusatz von Reinzuchthefen zur Gärung gebracht wird, was Weißweinen oft eine ungewöhnliche orange bis hellrote Farbe verleiht.“

Es sind jedoch nicht nur minimalinvasive Raw Wines, die Georgien zu einem spannenden Weinland machen. Mit 525 einheimischen Rebsorten verfügt das Land über das größte autochthone Rebsortenspektrum aller Weinbaunationen. Hochwertige, herkunftstypische Weine werden nicht zuletzt aus der roten Saperavitraube erzeugt. Saperavi zeichnet sich durch seine tiefdunkle Farbe, satte Beerenfrucht und eine herbe Würze aus. Dass er nicht altmodisch ausfallen muss, zeigen eine Reihe junger Weingüter, deren Erzeugnisse ich auf der diesjährigen RAW WINE Messe in Berlin verkosten konnte.

Wilder Wein von Giorgi Natenadze

Auf der RAW WINE lernte ich auch Giorgi Natenadze von Natenadze’s Wine Cellar kennen. Dieser ungewöhnliche Winzer durchstreift seit Jahren die Dörfer und Bergwälder der Region Meschetien (heute Samzche-Dschawachetien) auf der Suche nach vergessenen, wild wachsenden Rebsorten. 24 lokale Sorten, teils wohl über 400 Jahre alt, hat er bereits genetisch identifizieren können. Aus den von Hand gelesenen Trauben macht Giorgi Natenadze Wein – je nach Ertrag jedes Jahr in einer anderen Zusammenstellung. Zudem hat er 2015 begonnen, die von ihm wiederentdeckten Rebsorten auf Terrassen in mehr als 1000 Meter Höhe zu kultivieren. Natenadze sagt:

„I have spent much of the past decade traipsing through mountain forests in search of ancient vines growing the way nature intended — up trees. I have found some vines that are more than 100 years old and one that I reckon is more than 400 years old. I have uncovered 40 rare grape varieties in the forests in the south of the country, near the border with Turkey, but I have only been able to identify 24 of them so far. Each year I make a different wine from these ancient varieties at Natenadze’s Wine Cellar.“

Von seiner Wildwein-Cuvee Meskhuri hat Giorgi Natenadze im Jahrgang 2015 gerade einmal 1160 Flaschen abgefüllt. Flasche 436 konnte ich ihm abkaufen. Es handelt sich um einen trockenen, sechs Monate in der Amphore gereiften Rotwein von mittelheller Farbe mit gerade einmal 10% Alkohol.

Giorgi Natenadze

Der Wein duftet nach Kirsche und weißem Pfeffer, zeigt etwas Eukalyptus, Leder und Tabak in der Nase und präsentiert sich am Gaumen weit weniger ruppig, als man bei einem georgischen Rotwein annehmen könnte. Animierender als viele andere Naturweine, ist er kein Kraftbolzen, sondern von einer überraschenden, herb-wilden Trinkigkeit, die Lust auf mehr macht.

Auf seine mühselige Suche und den oft jahrelangen Verzicht auf Erträge angesprochen, zuckt Giorgi Natenadze nur mit den Schultern:

„I had no other way to do it.“

Was immer man von Naturweinen hält, die Weinwelt braucht Enthusiasten wie Giorgi Natenadze!

Mehr über Wein finden Sie im Archiv.

28. Juni 2018