Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Wortwörtlich (100): Inventur

Das 100. Zitat der Rubrik Wortwörtlich auf INVENTUR! Grund genug, sich etwas Besonderes auszudenken – und das 1912 im Verlag S. Fischer in Berlin erschienene Buch Inventur des österreichischen Modernekritikers Hermann Bahr aufzublättern.

HermannBahrKarlArnold1934

Es enthält zwölf Aufsätze, darunter einen von Bahrs berühmtesten Texten, Das unrettbare Ich. Bahr beginnt sein Buch mit dem Kapitel Inventur der Zeit und schließt es mit einem Selbstinventur betitelten Text. Bereits im zeitdiagnostischen Einstieg (und später erneut) äußert er sich hellsichtig über die Warenästhetik:

„Das Schicksal von Waren wird aber heute nicht bloß durch ihren Gebrauchswert entschieden, sondern auch noch durch irgend einen besonderen Reiz, der sie dem Käufer auffallen läßt, seine Neugier erregt und seinen Blick von den anderen auf sich zieht. Wer im Geschäftswesen Erfahrungen hat, weiß, daß, was der Engländer Advertisement, der Berliner Aufmachung nennt, heute notwendig ist, um den Gebrauchswert von Waren erst in Sicht zu bringen, ja daß dies allmählich schon wichtiger geworden ist als der Gebrauchswert selbst.“

Hermann Bahr: Inventur. Berlin: S. Fischer Verlag 1912, S. 16.

Abbildung: Karikatur von Karl Arnold, zur kostenfreien Verwendung zur Verfügung gestellt von der Universität Wien

14. März 2016