Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Wortwörtlich (118): Das Wissen der Geigenbauer

Das Buch des amerikanischen Soziologen und Kulturhistorikers Richard Sennett über Handwerk (The Craftsman) fragt danach, „was das Herstellen konkreter Dinge über uns selbst verrät“. Sennett interessiert sich für die Zusammenhänge von Hand und Kopf, Einübung und Widerständigkeit, Stolz auf vollbrachte Arbeit und Verankerung in der materiellen Welt. Sehr schön ist seine Beschreibung des impliziten Wissens alter Geigenbauerwerkstätten, dessen Würdigung in anderen Untersuchungen zu kurz komme:

„Was in diesen Analysen fehlt, ist eine Rekonstruktion der Werkstätten dieser Meister – oder genauer, es fehlt ein Element, das unwiederbringlich verloren ist: die Allgegenwart des stillschweigenden, unausgesprochenen und nicht in Worte gefassten Wissens, das dort zur Gewohnheit wurde und in den tausend alltäglichen Bewegungen steckte, die in ihrer Summe eine bestimmte Praxis ausmachen. Die wichtigste Tatsache, die wir im Blick auf Stradivaris Werkstatt kennen, ist der Umstand, dass er überall unerwartet auftauchen konnte und die unzähligen Bits and Informationen sammelte und verarbeitete, die für seine mit Teilarbeiten beschäftigten Gehilfen nicht dieselbe Bedeutung haben konnten.“

Quelle: Richard Sennett: Handwerk. Berlin: Berlin Verlag 2008, S. 108f.

18. Juli 2016