Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Wortwörtlich (2): Verarmter Adel

Als der Gesellschaftsjournalist Alexander von Schönburg vorübergehend ohne feste Anstellung war, machte er aus der Not eine Tugend und schrieb den Ratgeber Die Kunst des stilvollen Verarmens. Von Schönburg, der literarischen Öffentlichkeit bekannt geworden als Mitglied des „popkulturellen Quintetts“, kombiniert in seinem Brevier die Beobachtungsgabe eines Journalisten mit der Expertise eines verarmten Adeligen. Ich zitiere eine bemerkenswerte Aufzählung:

„Die Einkünfte schon für einen Angehörigen der unteren Mittelschicht können immens sein – ein Facharbeiter kann in seinem Leben weit über eine Million Euro verdienen-, doch sein persönliches, nachhaltiges Eigentum wird im Regelfall nur einen Bruchteil dessen betragen, was er erwirtschaftet hat, weil er es inzwischen für wertlosen Ramsch oder sinnlose Zeittötung ausgegeben hat: Reisen auf die Seychellen, Flaschenregale aus instabil verschraubtem Weichholz, Fonduegeschirr, Waffeleisen, Clubmitgliedschaften, Eis- und Joghurtmaschinen, Gelpantoletten, Activity-Rucksäcke, Kombijacken, Reisezwiebelschneider, Waagen, die das Körperfett getrennt von der Restkörpermasse wiegen, Fleischwölfe aus ‚gebürstetem Edelchrom‘, Fusselfräsen mit Auffangbehälter, elektrische Massagegeräte, Chipstüten-Thermoversiegler, zwei Saftpressen, eine Chi-Maschine, Designerpfannen und magnetische Nackenkissen.“

Quelle: Alexander von Schönburg: Die Kunst des stilvollen Verarmens. Wie man ohne Geld reich wird. Berlin: Rowohlt 2005, S. 172. Weiterhin als Taschenbuch (8,95 Euro) und eBook (8,45 Euro) erhältlich.

14. April 2014