Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Wortwörtlich (32): Wolfgang Herrndorfs Waschmaschine

Wolfgang Herrndorf, der der Ansicht war, „daß Schreibwarengeschäfte mit die tollsten Geschäfte sind“, hielt in seinem Blog Arbeit und Struktur auch ein paar Gedanken über eine Waschmaschine fest:

„13.3.2010 10:07
Erster Besuch zu Hause ohne Begleitung, der beruhigende Anblick vertrauter Gegenstände. Die Waschmaschine, die meine Eltern beim Aufenthalt in meiner Wohnung zerstört zu haben glaubten und die mehrere Waschgänge lang nicht tat, was sie tun sollte -, tut es wieder. Einfach so. Miele. Die Maschine wurde noch von meiner Großmutter erworben, ein Waschautomat der 1968er-Baureihe, also aus einer Zeit, als der Mond noch nicht betreten, Borussia Neunkirchen noch in der Bundesliga und das elektronische Signallämpchen nicht erfunden war.
Das mechanische Äquivalent zum Signallämpchen ist die Überschwemmung des Fußbodens, die den Besitzer darauf hinweist, daß das Flusensieb voll ist. Man muß das Sieb dann rausnehmen und entflusen, etwa alle fünf Jahre, was bedeutet, daß dies im Leben des Automatens sieben oder acht Mal geschah, und ich erinnere mich, wie gerührt ich immer beim Entflusen war: wie die Zeit vergeht. Die Maschine wurde nie gewartet und war nie defekt. Die vollständige Aufschrift lautet: MIELE AUTOMATIC W 429 S“

Quelle: http://www.wolfgang-herrndorf.de/2010/04/zwei/ (Abrufdatum 10. November 2014). Arbeit und Struktur ist 2013 posthum im Verlag Rowohlt Berlin erschienen. Das Buch kostet 19,95 Euro.

10. November 2014