Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Wortwörtlich (35): Joseph Wechsberg

Wie schreibt ein Epikureer, wenn er mit Zerstörung und bitterer Not konfrontiert wird? Im Mai 1945 kehrte der Exilautor Joseph Wechsberg mit der US-Army in seine europäische Heimat zurück. Von diesem polyglotten Weltenbummler und Feinschmecker, der für die besten Zeitungen der Welt schrieb und über vierzig Bücher publizierte, stammen Titel wie Forelle Blau und schwarze Trüffeln, Freude am Wein oder Die besten Dinge im Leben. Aber es gibt auch den politischen Wechsberg, der Erinnerungen von Simon Wiesenthal herausgab und aus dem Kalten Krieg berichtete. Im Wuppertaler Arco Verlag erschien kürzlich die ursprünglich im New Yorker abgedruckte Reportage Heimkehr, in der der Autor seine Rückkehr nach Europa im Mai 1945 beschreibt. Der Blick für Alltagsdinge kennzeichnet auch hier seine Wahrnehmung:

„Die Russen sind ganz vernarrt in Autos, aber sie werden noch einige Zeit brauchen, bis sie die Sache raushaben und lernen, daß die Hupe nicht das wichtigste Teil des Autos ist oder daß der Motor beim Warten an einer Kreuzung nicht wild aufheulen muß.
In Prag fragte ich mal einen russischen Offizier, warum die russischen Soldaten immer so unglaublich schnell autofahren und dabei hupen. Er war Oberst und trug den Lenin-Orden (zweimal) und den Orden eines Helden der Sowjetunion.
‚Die meisten meiner Männer hatten noch nie in ihrem Leben so ein verdammtes Auto gesehen‘, sagte er. ‚In drei Jahren vom Pferd zum Auto … – das ist verdammt schnell, oder?'“

Quelle: Joseph Wechsberg: Heimkehr. Aus dem Englischen und mit einem Nachwort herausgegeben von Christoph Haacker. Arco Verlag Wuppertal 2014, S. 15. 15 Euro.

Mehr über diesen wunderbaren Alteuropäer findet sich auf der offiziellen Joseph-Wechsberg-Website.

1. Dezember 2014