Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Wortwörtlich (84): Lipp

Ernest Hemingways 1964 posthum erschienenes Paris-Buch A Moveable Feast (Paris – Ein Fest fürs Leben) zählt in Frankreich gerade zu meistgekauften Büchern; am Freitag stand es auf Platz eins der Bestsellerlisten. Den Erinnerungen des amerikanischen Schriftstellers an die Jahre 1921 bis 1926 gelingt das ganz und gar Unwahrscheinliche: alle Anlagen zum Klischee mitzubringen und sich ihm doch zu entziehen. Es ist eine Liebeserklärung, eines der besten Bücher über das Schreiben und eine Feier des Einfachen:

„Zu Lipp war es ein Katzensprung, und jedes Lokal auf dem Weg, das mein Magen so schnell wahrnahm wie meine Augen oder meine Nase, versüßte mir den Gang zusätzlich. In der brasserie waren nur wenige Leute, und als ich mich auf die Wand mit dem Spiegel im Rücken und einem Tisch vor mir setze und der Kellner fragte, ob ich ein Bier haben wolle, bat ich um ein distingué, den großen Glaskrug, der einen Liter fasst, und einen Kartoffelsalat.
Das Bier war sehr kalt und trank sich wunderbar. Die pommes à  l’huile waren fest und mariniert und das Olivenöl köstlich. Ich mahlte schwarzen Pfeffer auf die Kartoffeln und tränkte das Brot mit Olivenöl. Nach dem ersten tiefen Schluck Bier trank und aß ich sehr langsam.“

Quelle: Ernest Hemingway: Paris, ein Fest fürs Leben. Aus dem Englischen von Werner Schmitz. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2011, S. 73f.

23. November 2015