Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Wortwörtlich (29): Vier Äpfel

Einziger Schauplatz von David Wagners 2009 erschienenem Roman Vier Äpfel ist ein Supermarkt. Ton, Genauigkeit der Beschreibung und Originalität der Form (die Erzählung enthält Fußnoten und das Faksimile eines Kassenbons) machen die gut 150 Seiten zu einer Lektüreempfehlung. Neben Einblicken in die Warenwelt der alten Bundesrepublik finden sich scharfsinnige Gedanken über die Mechanismen des Konsums:

„Vor dem Obst reiße ich eine transparente Plastiktüte von einer der senkrecht angebrachten, drehbar gelagerten Tütenrollen und suche unter all den angebotenen Apfelsorten nach einer, die mir weniger künstlich erscheint als die anderen. Natürlich muß ich dabei berücksichtigen, daß die Züchter, die heute womöglich Produktdesigner heißen, sicher längst einen Apfel entwickelt haben, der den Anschein erweckt, gerade erst von einer naturbelassenen Streuobstwiese gepflückt worden zu sein, tatsächlich aber schon Wochen im Bauch eines Schiffes oder in der kontrollierten Atmosphäre eines Lagerhauses bei abgesenktem Sauerstoffgehalt gelegen hat. Die Züchter haben die Abweichung, den kleinen Makel, die Apfelschönheitsflecken wahrscheinlich schon in den perfekten Apfel hineingezüchtet, was mich nun nach Äpfeln greifen läßt, die ihre Perfektion nicht tarnen.“

Quelle: David Wagner: Vier Äpfel. Roman. Reinbek bei Hamburg 2009, S. 8.

20. Oktober 2014