Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Drei Fragen an … den Designer Yoshiharu Ito, Berlin

Yoshiharu Ito (*1963) stammt aus Japan, wo er sich neben einer musikalischen Ausbildung bereits dem Schnittmusterstudium widmete. 1988 zog er nach Deutschland – und war von Anfang an dabei, als im Nachwendeberlin eine neue Modeszene entstand.

Yoshiharu Ito

Langjährige Kunden des Designers erinnern sich an Showrooms, Läden und Ateliers in den Hackeschen Höfen, der August-, Rosa-Luxemburg- und Wielandstraße. Daneben arbeitete Yoshiharu Ito als Kostümbildner für Theater in Berlin und Bremen. Viel Anerkennung wurde ihm zuteil, etwa, als Alfons Kaiser in der FAZ den „Perfektionsdrang“ des Modeschöpfers hervorhob.

Yoshiharu Ito Berlin

Gerade dieser unbedingte Qualitätsanspruch führte aber auch dazu, dass Yoshiharu Ito sich nach über zwanzig Jahren Erfahrung aus den Mühlen des Prèt-à-porter zurückzog. Kampagnen, Messen, Shows, die Schnelllebigkeit der Saisonzyklen und der ökonomische Zwang zu hohen Stückzahlen ließen sich nur schwer mit seiner ruhigen und detailgenauen Arbeitsweisevereinen. Seit Oktober 2012 bietet er deshalb in seinem neuen Atelier Studio Ito Design nach Maß an: individuell entworfene, von Hand in Berlin gefertigte Einzelteile. Ito, der unter anderem für die Schauspielerin Martina Gedeck oder den Galeristen Judy Lybke entwirft, betreut alle Kundinnen und Kunden persönlich – zu Preisen, für die man bei den bekannten Luxuslabels nur Stücke von der Stange bekommt.

INVENTUR hat Yoshiharu Ito in seinem weißgestrichenen Wilmersdorfer Atelier besucht. Während wir im Hinterzimmer Stoffballen erblicken, erläutert der Meister gerade seiner japanischen Assistentin ein Schnittmuster. Dann nimmt er sich Zeit für unser Gespräch.

Was verstehen Sie unter Qualität?

„Qualität ist für mich wie eine gute Theateraufführung. Um zu überzeugen, müssen viele Elemente zusammenspielen: Idee, Material, Schnitt, Verarbeitung, Ästhetik. Mir ist der Dialog mit den Kundinnen und Kunden sehr wichtig. Welches Körpergefühl soll beim Tragen entstehen? Es geht um persönliche Stücke, die individueller sind als Pràªt-à -porter es sein kann. Was ich mache, soll nicht steif sein, sondern sich natürlich anfühlen, aber auch auf eine durchdachte Art ungewöhnlich aussehen, um nicht zu langweilen.“

Wie setzen Sie diese Vorstellung in Ihrer Arbeit um?

„Wir fangen praktisch bei Null an, nehmen uns Zeit, sprechen ausführlich mit einer neuen Kundin oder einem neuen Kunden. Natürlich wird individuell Maß genommen. Dann fertige ich einen neutralen Prototypen an. Schritt für Schritt erfolgen weitere Verfeinerungen. Insgesamt finden mindestens drei Anproben statt, ich mache Vorschläge, überarbeite, passe an, greife Ideen der Kundin oder des Kunden auf. Der Schnittentwicklung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Daneben sind bei meiner Arbeit natürlich die Stoffe wichtig. Wir verwenden zum Beispiel solche von Ariston, Bassetti und Teseo aus Italien, von Heilemann aus Deutschland oder Takisada aus Japan. Für Hemden eignen sich diejenigen von Hausamann und Moos aus der Schweiz sehr gut. Erstklassiger Corduroy kommt aus Großbritannien von Brisbane and Moss. Und bei Jacken darf natürlich Harris Tweed von den Äußeren Hebriden nicht vergessen werden. Während alte Schneiderateliers zwar oft handwerklich tadellos, aber stilistisch altbacken sind, und moderne Maßkonfektion von Baukastensystemen ausgeht, möchte ich handwerkliche Perfektion mit echter Maßarbeit verbinden, dabei jedoch die ästhetische Seite nicht vernachlässigen.“

An welchem Beispiel wird Ihr Qualitätsideal besonders anschaulich?

„Einer meiner langjährigen Kunden fordert mich immer wieder heraus. Er sagt Dinge wie: ‚Stell Dir vor, ich wäre ein Schiffsbesitzer in den Fünfziger Jahren. Wie sähe ich aus?‘ Dann ist es meine Aufgabe, das Thema so zu interpretieren, dass er nachher gut angezogen ist. So entstehen einzigartige Stücke.“

Eine Liste aller Interviews mit Qualitätsexperten finden Sie im Archiv.

13. Oktober 2013