Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Wortwörtlich (27): Kruso

Heute wird der Deutsche Buchpreis verliehen. Mein Favorit: Lutz Seiler mit seinem großartigen Roman Kruso. Kruso, die Titelfigur, doziert auch über Warenwelt und Verbraucher. Schlüsseltopoi der Konsumkritik in einer einzigen Rede:

„Aber viele, die dort geboren wurden und nie etwas anderes hatten, empfinden ihr Unglück nicht mehr. Die Unterhaltungsbranche, die Autos, Eigenheime, Einbauküchen, warum nicht? Aber für sie ist es ihr Körper, seine natürliche Verlängerung, der Ort ihres Fühlens und Denkens. Ihre Seele steckt fest in einem Armaturenbrett, sie ist Hi-Fi-ertaubt oder verdampft in einem Herd von Bosch. Sie können ihr Unglück nicht mehr empfinden. Sie hören nicht, welcher Zynismus in dem Wort Verbraucher steckt – allein das Wort! Sein animalischer Klang, voller Kuhglocken und Herden, über den Hügel des Wohlstands getrieben, grasend, käuend, Verbrauch, Verdauung und neuer Verbrauch – fressen und scheißen, das ist das Leben des Verbrauchers.“

Quelle: Lutz Seiler: Kruso. Roman. Suhrkamp Verlag Berlin 2014, S. 359. 22,95 Euro.

6. Oktober 2014