Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Wortwörtlich (51): Modernität

Niemand schrieb so schlecht gelaunt über den Konsum wie Theodor W. Adorno. Liest man ihn neu, erweist er sich als bleibender Stachel in einer Theorielandschaft, die manche seiner Einsichten vielleicht nur deswegen hat fallen lassen, weil ihre Aussichtslosigkeit auf die Dauer nicht zu ertragen war und nach ihm ja auch noch etwas kommen musste. In seinem für die Beschäftigung mit der ästhetischen Ökonomie unserer Gegenwart erstaunlich aufschlussreichen, 1941 verfassten Text über Thorstein Veblen vergleicht er ‚moderne‘ Angestellte mit den freiheitsliebenden Frauengestalten aus Ibsen Dramen:

„Die vorurteilsfreie Angestellte, der die Welt recht ist, solange sie mit dem Freund ins Kino gehen kann, hat Nora und Hedda verdrängt, und wenn sie von ihnen wüßte, so würde sie ihnen in kessen Redewendungen ihre mangelnde Realitätsgerechtigkeit vorwerfen.“

Quelle: Theodor W. Adorno: Veblens Angriff auf die Kultur. In: ders.: Gesammelte Schriften Bd. 10.1. Kulturkritik und Gesellschaft I. Prismen. Hg. von Rolf Tiedemann. Frankfurt/M. 1977, S. 72-96, hier S. 80.

6. April 2015