Obstsaft bester Qualität: Drei Fragen an Peter van Nahmen
In vierter Generation stellt die niederrheinische Familienkelterei van Nahmen Apfel- und andere Obstsäfte her. Hundert Jahre Erfahrung stecken in den Produkten des Hauses, und Juniorchef Peter van Nahmen weiß, wie man Obstsaft höchster Güte produziert. Für die INVENTUR-Interviewreihe zum Thema Qualität stand er mir bei ein paar Gläsern Saft Rede und Antwort.
Die Obstkelterei van Nahmen
1917 als Apfelkrautfabrik am Niederrhein gegründet, erweiterte die Privatkelterei ihr Produktportfolio 1930 auf die Herstellung von Apfelsaft. 2005 stieg der promovierte Betriebswirtschaftler Peter van Nahmen als Geschäftsführer in den Betrieb ein, den er seither gemeinsam mit seiner Frau Sabine leitet. Das in Hamminkeln ansässige Unternehmen hat 25 Mitarbeiter.
Im Gegensatz zum überwiegenden Teil des in Deutschland verarbeiteten Apfelsaftes werden die Säfte aus dem Hause van Nahmen nicht aus Konzentrat hergestellt. Auch kommen die Früchte nicht aus China, wie es in der Saftproduktion mehr und mehr der Fall ist. Vielmehr setzt van Nahmen auf das Obst regionaler Streuobstwiesenpartner am Niederrhein und im Münsterland. Über 200 Anbauverträge hat die Kelterei mit den Streuobstwiesenbesitzern geschlossen.
Das Partnerkonzept entwickelte die Kelterei bereits vor 20 Jahren mit dem Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU). Liefern die Obstbauern ungespritztes, reifes und möglichst auch sortenreines Obst, erhalten sie einen gegenüber dem Durchschnitt deutlich höheren Preis für ihre Ware. Dadurch können die Bauern alte Streuobstwiesen gewinnbringend bewirtschaften und zum Erhalt der artenreichen Landschaften mit ihren mehr als 200 Obstsorten beitragen.
Obstsaft in sortenreiner Qualität
Dank des Partnerprojektes kann van Nahmen seit 2007 sortenreine, naturbelassene Direktsäfte in bester Qualität anbieten: naturtrüb und ohne Zusatz von Zucker, Konservierungsmitteln oder Aromastoffen. Bestimmte Sorten wie der Rote Sternrenette und der Schöner von Boskoop bekommen sogar eine Jahrgangsbezeichnung, da der Saft je nach Jahr ein leicht unterschiedliches Verhältnis von Säure- und Zucker aufweist.
Die Nähe zum Wein ist kein Zufall, schenken doch zahlreiche Spitzenrestaurants van Nahmens Säfte als alkoholfreie Alternative zum Wein aus. Daher gehört die Kelterei seit 2016 auch zu den Partnern des Verbands Deutscher Prädikatswinzer (VDP).
Qualität bei Obstsaft: Peter van Nahmen im Gespräch
Bei einer Veranstaltung des VDP lernte ich Peter van Nahmen kennen und hatte Gelegenheit zur Verkostung. Ein paar Wochen später verabredeten wir uns zum Gespräch.
Was verstehen Sie unter Qualität?
„Alles geht beim Obst los. Deshalb lautet die entscheidende Frage: Wie kriegen wir gutes Obst? Wenn wir das haben, können wir es eigentlich nur noch schlechter machen. Zum Glück bekommen wir Früchte von bis zu 80 Jahre alten Bäumen, die ursprünglich zur Eigenversorgung der Bauern angepflanzt wurden. Es verhält sich wie mit alten Reben beim Wein: Sind die Bäume alt, gehen mehr Nährstoffe in die Früchte. So werden die Früchte besonders geschmacksintensiv. Dann kommt es darauf an, dass wir das Obst nicht zu früh ernten. Im Grunde entscheidet der Baum, wann ein Apfel reif ist. Der Reifegrad trägt entscheidend zum Geschmack bei. Und natürlich ist auch die Sortenwahl wichtig, damit die Aromatik stimmt. Wir sind in einer Genussnische unterwegs, in der die Qualität immer mehr zählt als der Preis.“
Wie setzen Sie diese Vorstellung in Ihrer Arbeit um?
„Unser Aufpreis-System honoriert die Anlieferung hochwertiger Äpfel: je höher der Reifegrad, desto mehr bezahlen wir. Faule und unreife Exemplare sortieren wir von Hand aus. Da das Obst aus der Region stammt, sind Lieferweg und Lagerungszeit kurz. So können wir die zur besten Reifezeit geernteten Früchte genau dann vermosten, wenn der Saft am intensivsten schmeckt.“
„Auf der Suche nach dem Besten experimentieren wir viel. Beispielsweise pressen wir jedes Jahr etwa zehn Apfelsorten zur Probe. Zudem beschäftigen wir uns intensiv mit anderen Obstsorten, beispielsweise Kirschen oder Pflaumen. Da kommt es beispielsweise darauf an, den Kernen das typische Mandelaroma zu entlocken. Nehmen Sie nur unsere herrlichen Wildpflaumen, die aus dem Piemont stammen und durch unter jedem Baum gespannte Netze geerntet werden. Diesen Aufwand betreiben derzeit nur 18 Bauern, die wir dabei unterstützen, den Erhalt dieser vom Aussterben bedrohten Pflaumensorte zu sichern.“
An welchem Beispiel wird Ihr Qualitätsideal besonders anschaulich?
„An unserem Rhabarbernektar kann man gut sehen, wie wir arbeiten. Um möglichst viele Nuancen im Aromenprofil zu haben, testeten wir erst einmal 15 verschiedene Rhabarbersorten. Wie schmeckt welche Sorte? Entschieden haben wir uns für die rotstieligen Rhabarbersorten The Sutton und Frambozen, die aus der Köln-Bonner Tiefebene und von einem Vertragslandwirt am Niederrhein stammen. Sie besitzen ein sehr feines Aroma. Während gesetzlich nur 30% Saftanteil für einen Rhabarbernektar vorgeschrieben sind, enthält unserer mindestens 70%. Der Saft duftet sehr intensiv. Und schauen Sie mal, wie der im Glas leuchtet.“
Lesen Sie auch den Artikel über das Buch Äpfel & Birnen mit Aquarellen von Korbinian Aigner.
Eine Liste aller Interviews mit Qualitätsexperten finden Sie im Archiv.
Fotos: © van Nahmen
18. Januar 2018