Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Fake, Fälschungen, Plagiate: Gegen Markenpiraterie

Channel, Leima, Meisen – so heißen einige der Marken, die ein neuer Internetshop anbietet. Dem Design von Websites wie Net-A-Porter oder mytheresa nachempfunden und gezielt über Online-Banner beworben, bietet die Seite ein exklusives Angebot aus gefälschten Produkten an. Doch bei genauem Hinschauen werden Schnäppchenjäger enttäuscht. Da zeichnet sich nämlich die „Channel“-Tasche durch Eigenschaften wie „echtes Kunstleder“ und „hauchzarte Nähte, garantiert von kleinen Händen verarbeitet“ aus, ein Füllfederhalter hat eine „Kappe mit Drehverschleiß“ und die „Leima“-Kamera verspricht „bei Diebstahl kein[en] Wertverlust“. Es handelt sich um Plagiate. Drückt man den „Jetzt kaufen“-Button, erscheinen anstelle des Warenkorbes ein paar Sätze über Kreativität und geistiges Eigentum.

Fälschungen

Mit dieser pfiffigen Kampagne will die Interessenvertretung der deutschen Luxusbranche, der Meisterkreis, auf die Auswirkungen aufmerksam machen, die das Kaufen billiger Kopien für Wirtschaft, Gesellschaft und Konsumenten hat. Nicht nur werden Erfindergeist und kreative Leistungen durch die Nachahmung hochwertiger Produkte entmutigt, Plagiate unterlaufen auch soziale und ökologische Standards. Wer Fälschungen kauft, unterstützt eine kriminelle Schattenwirtschaft. Zudem verteuern Imitate die Preise der Originale, da die Unternehmen in die Abwehr der Fälschungen investieren müssen. Gestützt auf eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young fragen die Initiatoren:

„Niemand würde den Diebstahl seines Autos als Kavaliersdelikt ansehen. Wie können wir bei einer herausragenden kreativen Leistung andere Maßstäbe anlegen? Wie kann es sein, dass 90 Prozent der Verbraucher gefälschte Produkte nicht für anrüchig halten?“

Fälschungen Plagiate

So überzeugend Grundidee und einfallsreiche Umsetzung der Kampagne sind, durch größere gedankliche und gestalterische Konsequenz ließe sich die Wirksamkeit durchaus steigern. Dies beginnt bereits damit, dass sich die fälschungskritische Überblendung („Warum Plagiate keine Alternative sind“) nicht nur auf Knopfdruck, sondern auch nach einer gewissen Wartezeit automatisch über den vermeintlichen Webshop legt. Das wirkt aufdringlich, als traue man dem eigenen Grundgedanken nicht, erst bei Kaufentscheidung die Botschaft zu vermitteln. Auch ist das präsentierte Argument („Wir versprechen Ihnen: Plagiate werden jedenfalls keine Ihrer Erwartungen erfüllen.“) alles andere als zwingend. Denn offenbar erfüllen Imitate die Erwartungen sehr vieler Konsumenten, denen entweder der Abglanz des Echten genügt oder die das Spiel mit den Markenzeichen als kreativ und cool auffassen. Diese Akzeptanz dürfte übrigens auch durch Akteure der Luxusindustrie selbst begünstigt werden, wenn sie – wie manche Modemarke – Teile der Produktion nach Fernost verlagern. Solche Produkte lassen sich durchaus auch bei Meisterkreis-Mitgliedern wie dem Berliner KaDeWe erwerben.

Plagiate

Schließlich stellt sich die Frage nach der Zielgruppe. Der Meisterkreis beschreibt sie als „Konsumenten, die sich die Originale eigentlich leisten könnten und in der Lage sind, den Wert der kreativen Leistung zu honorieren, es aber bewusst nicht tun“. Mag der Unwertgehalt des Plagiatkonsums bei dieser Gruppe auch besonders hoch sein, sie dürfte kaum das Gros der Fälschungskäufer ausmachen. Diese liegt wohl eher bei jenen, die sich die von der Luxusbranche als begehrenswert beworbenen Produkte nicht leisten können oder leisten zu können glauben. Hier liegen zwei wichtige Hebel für eine Kultur der Qualität. Eine solche wird nämlich so lange Wunschdenken bleiben, wie Qualität und Luxus allzu eng miteinander assoziiert werden. Luxus ist ohne Qualität nicht zu denken, aber Qualität durchaus ohne Luxus. Das Interesse des Meisterkreises liegt freilich – und verständlicherweise – in der Stärkung der Mitgliedermarken. Sie weniger über Luxus und mehr über Qualität zu definieren, wäre ein Schritt zur Unterstützung einer breiter gestreuten Qualitätskultur. Damit einher geht ein zweiter Punkt, den Premiummarken mit Sinn fürs Gemeinwohl in ihrer Kommunikation bedenken sollten: Für die gewünschte Qualitätskultur wäre viel gewonnen, wenn High-End-Produkte nicht als Distinktionsobjekte für Wohlhabende dargestellt würden, sondern als Wertobjekte für all diejenigen, die zu verzögertem Konsum und zu so altmodischen Tugenden wie dem Auf-etwas-Sparen bereit sind.

Der Kontext für die Initiative des Meisterkreises ist kein leichter: Intellektuelle arbeiten an der Dekonstruktion des Autorschaftsgedankens, Politiker promovieren mit Plagiaten, der Kostenloskapitalismus im Internet verführt zur Datenpreisgabe und eine Alles-für-alle-Einstellung bewirkt staatliche und private Verschuldung. In einer solchen Konstellation sind Impulse wie diejenigen des Meisterkreises wichtig und willkommen. Solange jedoch die Luxusnische als Lösung suggeriert wird, muss die Kampagne ihr gesellschaftliches Ziel verfehlen. Besser wäre es, wenn die Kommunikation Selbstkritik einschlösse und ihre Semantik konsequenter vom Luxus- auf den Qualitätsgedanken umstellte.

Die Abbildungen zeigen links Originalprodukte und rechts Fälschungen. © Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie e. V. (APM)

24. Oktober 2014