Der Kaiserdamm in Berlin – eine andere Konsumkultur
Mag die Kantstraße auch quirliger und der Kurfürstendamm eleganter sein – der zwischen Sophie-Charlotte-Platz und Theodor-Heuss-Platz gelegene Berliner Kaiserdamm hat seinen eigenen Charakter. Das gilt auch für die Konsumkultur. Hier prägen nicht Bars, Boutiquen und Biosupermärkte das Bild (obwohl es letzteren auch gibt), sondern alteingesessene, inhabergeführte Geschäfte – und unwirtlicher Leerstand. Ein Herbstspaziergang.
Der Berliner Kaiserdamm und seine Geschichte
Im Berliner Tageblatt vom 18. Dezember 1930 attestierte der beinahe vergessene Feuilletonist Iwan Heilbut dem Kaiserdamm „prunkende Gelassenheit“ und ein „stürmendes Tempo“. Dabei war der prachtvolle Boulevard bis 1904 nur ein Sandweg gewesen, wie Irene Fritsch in ihrem lesenswerten Buch über den Lietzensee bemerkt. Zwischen 1904 und 1906 auf Betreiben des Kaisers zu einer etwa 50 Meter breiten Heerstraße ausgebaut, ordnete Wilhelm II. an, die Eckhäuser mit repräsentativen Türmen und Kupferhauben zu versehen. Bis in die 1930er Jahren fuhren auf dem Kaiserdamm auch Straßenbahnen.
Im Nationalsozialismus diente die monumentale Schneise als Blaupause für Albert Speers Stadtplanung. Die von Hitlers Architekt entworfenen, zylindrischen Straßenlaternen stehen noch heute. Am Gebäude des Polizeipräsidiums Kaiserdamm 1 hingegen findet sich eine Gedenktafel, die am Bernhard Weiß erinnert, der von 1927 bis 1932 in diesem Haus als Berliner Polizeivizepräsident wirkte. Weiss war ein entschiedener Gegner der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und wurde von den Nazis diffamiert und verfolgt. Er starb im Londoner Exil.
Als der Kaiserdamm Ende der 60er Jahre in Adenauerdamm umbenannt wurde, erhoben sich so starke Bürgerproteste, dass die Umbenennung wenige Jahre später rückgängig gemacht wurde.
Der Kaiserdamm heute
Der Kaiserdamm ist keine Schönheit. Seine Mischung aus gründerzeitlicher Pracht, NS-Monumentalität, Nachkriegstristesse und Bauwirtschaftssterilität macht ihn zu einem Ort, der seinen Charme erst auf den zweiten Blick preisgibt.
Dennoch lohnt es sich, ihn einmal vom einen Ende bis zum anderen abzulaufen. Interessant ist der Kaiserdamm nämlich nicht zuletzt durch zwei Geschäfte: Berlins älteste Buchhandlung und den 111 Jahre alten Eisenwarenhandel Döring.
Buch & Kunst: Berlins älteste Buchhandlung
In den Stadtteilen Charlottenburg und Westend gelegen, war der Kaiserdamm nicht zuletzt in der Weimarer Republik eine Adresse, die Kulturschaffende anzog: Armin T. Wegner (Nr. 16), Alfred Döblin (Nr. 28) und Erich Maria Remarque (Nr. 114) zählen zu den Schriftstellern, die am Kaiserdamm gewohnt haben.
Da lag es nahe, 1947 in der Nummer 19 eine Buchhandlung zu gründen. Unter dem Namen Buch & Kunst an der Kaiserdammbrücke existiert sie noch heute – Teile des Originalmobiliars eingeschlossen.
Der Betreiber sieht allerdings keine Zukunft für den stationären Buchhandel an der bei Schriftstellern einst so beliebten Straße: Es wäre schon jetzt lukrativer für ihn, Sozialleistungen zu beziehen anstatt das Ladenlokal aufrecht zu erhalten, erzählt er mir. Ein Jammer, denn die Buchhandlung bietet ein Sortiment, das zum Entdecken einlädt und eine persönliche Beratung, die kein Algorithmus ersetzen kann.
111 Jahre Eisen Döring
1906 von Otto Döring gegründet, hat Eisen Döring eine Reihe von Filialen kommen und gehen sehen. Die im April 1962 am Kaiserdamm 17 eröffnete blieb bis heute erhalten und wird nun in vierter Generation von der Familie betrieben. Auch hier stammt der Ladentisch noch aus der Zeit der Gründung.
Mit C. Adolph am Savignyplatz vergleichbar, hielt das Haushaltswarengeschäft Handelsketten und Webshops durch Warenvielfalt und Fachberatung stand. Ein Ort, an dem man Schrauben und Haken auch einzeln bekommt, ohne deshalb Nostalgie, Humorlosigkeit und Distinktiongehabe à la Manufactum anheimfallen zu müssen.
LITERATUREMPFEHLUNGEN
Irene Fritsch: Der Kaiserdamm. In: Leben am Lietzensee. 6., überarb, Aufl. Berlin 2014, S. 159-166.
Christian Jäger & Erhard Schütz (Hg.): Glänzender Asphalt. Berlin im Feuilleton der Weimarer Republik. Berlin 1994.
12. Oktober 2017