Wie glaubwürdig ist die Qualitäts-Kampagne von Lidl?
Die Welt ist wieder ein besserer Ort geworden. Denn Lidl macht jetzt auf „Qualität“. „Woran erkennt man eigentlich gute Qualität?“ lautet die Leitfrage einer neuen Kampagne, die die Aufmerksamkeit vom Preis auf den Wert lenkt:
„Eigentlich wissen wir doch alle ganz genau, was gut für uns ist“ – so die jede erkundende Anstrengung zugunsten entlastenden Markenvertrauens beiseite wischende Schlussformel. Wir wissen es eben nicht. Und weil wir es nicht wissen, weil die Wertschöpfungsketten für uns am Ende intransparent sind und kaum warenkundliche Kompetenz vorausgesetzt werden kann, hat die alle Register der Egozentrik, Erotisierung und Emotionalisierung ziehende Kampagne Aussicht auf Erfolg.
Aber Lidl bietet auch dem wissbegierigen Kunden etwas an. Die Website beschäftigt sich mit verschiedenen Grundnahrungs- und Genussmitteln. Dort heißt es dann zum Beispiel:
„Gutes Fleisch erkennt man … an einem guten Preis.“
Demnach wäre teures Fleisch also schlechtes Fleisch? Zum Glück können Interessierte – Netiquette vorausgesetzt – genauer nachfragen. Auf die Frage nach dem Anteil von Bio-Ware am Gesamtumsatz des Fleischsortiments antwortet Lidl:
„Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir zu Umsätzen und Umsatzanteilen keine Angaben machen.“
Haben wir aber nicht, wenn mit großem Werbeaufwand Transparenz versprochen wird. Doch vielleicht sollte man die Kampagne mit Humor nehmen. Bei der Rubrik Wein fällt das leicht. Dort heißt es:
„Mit unserem vielfältigen Sortiment bieten wir alles, was das Weinliebhaber-Herz begehrt.“
Dass es auch bei Lidl den ein oder anderen trinkbaren Wein gibt, kann man nicht ausschließen. Sollte aber hinzufügen, was Jens Priewe kürzlich über Wein beim Discounter schrieb:
„(…) der größte Teil dessen, was da im ‚Abverkaufs-Regal‘ steht, ist nichts als Resteverwertung (…) Bei den Bordeaux-Weinen unter 10 Euro, die der Discounter Lidl zum Beispiel in seinem Online-Shop anbietet, steht noch nicht einmal der Name des Château in der Beschreibung. (…) Wer die Flaschenabbildungen vergrößert, wird außerdem bemerken, dass der Jahrgang fein säuberlich wegretuschiert wurde. Warum wohl? Wahrscheinlich handelt es sich um die kleinen Jahrgänge 2011, 2012 und 2013, die da angeboten werden. Auch in den Beschreibungen, zu denen man weiterklicken kann, taucht der Jahrgang nicht auf. Verhält sich so ein seriöser Weinhändler?“
Ein paar symbolische Qualitätsprodukte im Sortiment, und seien sie mit dem Fairtrade-Siegel versehen, ändern das preisfixierte Geschäftsmodell nicht. Und eine Kommunikationsoffensive schon gar nicht. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Vergangenen Dezember berichtete Spiegel Online, Lidl wolle „ab dem Jahr 2020 bei der Herstellung von Kleidung und Schuhen auf giftige Chemikalien verzichten“. Eine Erfolgsmeldung, so das Nachrichtenmagazin. Im Klartext bedeutet sie freilich, dass Lidl zugibt, Kleidung und Schuhe mit giftigen Chemikalien herzustellen und zu verkaufen und dies noch ein weiteres halbes Jahrzehnt lang zu tun gedenkt. Die Rede ist hierbei u.a. von Stoffen, die in Reinigungsmitteln in Europa verboten sind und von solchen, die nach Darstellung von Greenpeace Einfluss auf das Immunsystem und die Fortpflanzung haben. Als konkretes Beispiel nannte die Umweltschutzorganisation Kinderschuhe, die erhöhte Konzentrationen an hautreizenden und allergieauslösenden Substanzen enthalten.
Was also ist von Lidls Neupositionierung zu halten? Sagen wir es so: Um einem Unternehmen, das nach eigener Aussage giftige Kindersachen anbietet, den Anteil der Bioprodukte am Sortiment verschweigt und beim Wein nicht einmal den Jahrgang verrät eine besondere Qualitätsausrichtung zu attestieren, braucht es schon einen deutlich in Bodennähe angesiedelten Qualitätsmaßstab. Außer bei der Reklamestrategie.
Abbildung: Round Icons*
4. März 2015