Passé. Ein Bilderbuch verschwindender Dinge
passé. die stille aesthetik der dahingehenden objekte lautet der Titel eines neuen, anderthalb Kilogramm schweren Buches. Es zeigt 100 Gebrauchsgegenstände, die im Zuge der Digitalisierung aus dem Alltag verschwinden. Das Ziel: ausgediente Dinge „durch größe, nähe, spuren“ noch einmal in die Wahrnehmung zu rücken.
Wenn Werber behaupten, wir hätten „von allem zu viel“, ist Skepsis geboten. Doch obwohl die Macher des gerade erschienenen Buches passé unter anderem mit diesem Satz ihr Projekt bewerben, lohnt sich eine nähere Betrachtung. Denn das erste Buch der neuen edition mixtumkompositum versammelt 100 Fotografien von Andrea Wittstruck, die in neusachlicher Nüchternheit abgenutzte Gebrauchsgegenstände zeigen und unwillkürlich beginnen, Geschichten zu erzählen. Es sind die durch Vergrößerung deutlich hervortretenden Gebrauchsspuren der Objekte, welche die Bilder vom Manufactum-Katalog ebenso unterscheiden wie von den historischen Aufnahmen eines Albert Renger-Patzsch.
Ein Stempelhalter, eine Löschpapierrolle und ein Briefmarkenbefeuchter rufen gemütlich-stickige Kontoratmosphäre hervor, ein lederner Medizinball löst längst verdrängte Turnhallenbeklemmung aus, und das Fadengewusel in der Kapsel eines alten Blitzlichtes erinnert an eine Zeit, als jeder einzelne Schnappschuss schon aus Kostengründen überlegt sein wollte. „Made in Western Germany“, heißt es auf einem Objekt, das, bei allem Hang ins Trödelhafte, wie ein nostalgisches Gütesiegel aus der vermeintlichen Stabilität des Kalten Krieges anmutet.
passé zeigt Nischenprodukte im toten Winkel der Digitalität, Alltag, der durch bloßes Vergehen zu etwas Besonderem geworden ist. In der Schweiz aufwändig hergestellt, handelt es sich um ein sogenanntes Flatbook, bei dem die Rückseiten der Bögen vollflächig verleimt werden, um Doppelseiten vollkommen flach öffnen zu können. Stolze 95 Euro kostet diese Hommage ans Analoge. Man blättert gerne darin.
Michael Bilek: passé. die stille aesthetik der dahingehenden objekte. Mit 100 Fotografien von Andrea Wittstruck. edition mixtumcompositum 2019. 210 Seiten. 95 Euro.
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Abbildungen: © Michael Bilek, edition mixtumcompositum, 2019
24. Oktober 2019