Gebrauchte Bücher verkaufen. Erfahrungen und Überlegungen
Wer die eigene Bibliothek verkleinern will, und sei es, um Platz für neue Bücher zu gewinnen, begibt sich auf einen Markt, der keine Sentimentalitäten kennt – und immer stärker vom digitalen Wandel durchdrungen ist. Erfahrungen und Überlegungen beim Versuch, gebrauchte Bücher zu verkaufen.
Bücher zwischen Bildung und Ballast
Was könnte antiquierter klingen als jene Sätze, die Walter Benjamin 1931 über seine Bibliothek schrieb:
„Ich packe meine Bibliothek aus. Ja. Sie steht also noch nicht auf den Regalen, die leise Langeweile der Ordnung umwittert sie noch nicht. Ich kann auch nicht an ihren Reihen entlang schreiten, um im Beisein freundlicher Hörer ihnen die Parade abzunehmen. Das alles haben Sie nicht zu befürchten. Ich muß Sie bitten, mit mir in die Unordnung aufgebrochener Kisten, in die von Holzstaub erfüllte Luft, auf den von zerrissenen Papieren bedeckten Boden, unter die Stapel eben nach zweijähriger Dunkelheit wieder ans Tageslicht beförderter Bände sich zu versetzen, um von vornherein ein wenig die Stimmung, die ganz und gar nicht elegische, viel eher gespannte zu teilen, die sie in einem echten Sammler erwecken.“
Knapp 90 Jahre später packen wir Bücher weniger aus als ein, in prosaische Pappkartons, um weit unter Ladenpreis loszuwerden, was im Regal keinen Platz mehr findet. Welches Versprechen barg jedes einzelne Buch beim Kauf – und welche Erleichterung jetzt, wenn wir ein wenig Freiraum in der überfüllten Wohnung gewinnen! In einem hörenswerten Rundfunkbeitrag beschreibt Jörg Plath, wie sich Buchbesitz vom Bildungssignal zum Ballast wandelte:
„Einst war sie der Schmuck des Hauses oder der Wohnung, der materialisierte Ausweis von Bildung und Geschmack, das Zentrum bürgerlichen Lebenswandels und ein Schatz, den es zu ererben, zu vererben und zu mehren galt. Heute ist die Bibliothek eher zur Last geworden. Die Bücher nehmen überhand, erobern alle Wände, manchmal auch den Fußboden.“
Will man die eigenen Buchbestände dezimieren, betritt man einen gänzlich melancholiefreien Markt, der den Ausverkauf einer Lebensform organisiert – mit algorithmischer Effizienz.
Gebrauchte Bücher verkaufen: Wo? Wie?
Neue Bücher kauft man am besten im lokalen, inhabergeführten Buchhandel. Aber wo und wie wird man überzählige Exemplare wieder los? Wer den Markt für gebrauchte Bücher erkundet, trifft im wesentlichen auf drei Möglichkeiten: klassische Antiquariate, Plattformen für Händler und Ankaufportale.
Klassische Antiquariate
Klassische Antiquariate, das Pendant zur Buchhandlung vor Ort, zeigen immer seltener Interesse am Kauf gebrauchter Bücher. Vielfach berichten die Erben umfangreicher Bibliotheken, dass Antiquare ihre Bestände nicht einmal geschenkt haben wollen. Zwar bestätigen Ausnahmen die Regel, doch sind Antiquariate häufig nur noch für den Verkauf von Titeln bestimmter Sparten oder von Raritäten die richtige Adresse.
Selbst Händler werden
Das Internet bietet eine Reihe von Portalen, auf denen man den Verkauf gebrauchter Bücher selbst in die Hand nehmen kann.
Amazon Marketplace galt lange Zeit als die unkomplizierteste Plattform für Gelegenheitsanbieter, nicht zuletzt, weil sie vom Käufer eine pauschale Versandkostenpauschale verlangt, die oftmals höher ausfällt als die tatsächlichen Versandkosten. Da die Differenz als Gewinn beim Anbieter verbleibt, lohnt sich auch der Verkauf von Pfennigware. Unterdessen unterscheidet Amazon jedoch nicht mehr zwischen privaten und gewerblichen Anbietern und verlangt von allen Anbietern das Beibringen einer Umsatzsteuer-ID und einer Bescheinigung vom Finanzamt, die nur Gewerbetreibende erhalten. Damit ist es nicht mehr möglich, als Privatanbieter bei Amazon gebrauchte Bücher zu verkaufen, ohne ein Gewerbe anzumelden. So jedenfalls interpretiere ich die nicht gerade klaren Informationen, die das Unternehmen zu diesem Thema gibt.
Auch Abebooks, eine Tochtergesellschaft von Amazon, wendet sich an geschäftliche Anbieter mit Umsatzsteuer-ID. Zudem verlangt die Plattform eine monatliche Einstellgebühr von mindestens 15 Euro, unabhängig davon, ob tatsächlich Bücher verkauft werden. Abebooks betreibt auch die an professionelle Anbieter gerichtete Antiquariatsplattform ZVAB, die mithin – im Gegensatz zur von Antiquaren selbst betriebenen Plattform Antiquariat.de – ebenfalls dem Konzern aus Seattle gehört.
Wer eine Alternative zu Amazon sucht und lediglich als Privatanbieter Gelegenheitsverkäufe vornehmen möchte, kann es bei Booklooker versuchen. Booklooker verlangt keine Einstellgebühr, sondern eine Provision in Höhe von 6,9% auf Festpreise, die die Anbieter selbst festlegen. Das Portal ist nutzerfreundlich gestaltet, gleichwohl erfordert das Einstellen der Bücher und die Pflege eines eigenen Verkäuferkontos einen Zeitaufwand, der sich nicht für jedes Buch lohnt. Während bestimmte Titel, etwa vergriffene Modebildbände, eine teilweise erhebliche Wertsteigerung gegenüber dem ursprünglichen Ladenpreis erreichen, lassen sich mit anderen, zum Beispiel weit verbreiteten Taschenbüchern, kaum nennenswerte Gewinne erzielen.
Ankaufportale
Wer sich pragmatisch alter Bücher oder ungeliebter Geschenke entledigen will, kann dies bei Ankaufportalen versuchen. Man scannt den Strichcode des Buches mit einer App oder tippt die ISBN-Nummer auf der Homepage des Händlers ein und erfährt in Sekundenbruchteilen, ob und zu welchem Preis das Buch angekauft wird. Ab 10 Euro Warenwert zahlen die Abnehmer in der Regel das Porto, den Paketaufkleber kann man bequem am Rechner ausdrucken und die Pakete sogar zu Hause abholen lassen.
Und die Preise? Sie hängen von vielen Faktoren ab und werden beispielsweise beim Branchenführer Momox alle dreißig Minuten neu berechnet. Der FAZ-Redakteur Hubert Spiegel errechnete, dass dies bei derzeit zehn Millionen Artikeln im Lager allein für den Verkauf 480 Millionen Preisberechnungen pro Tag ausmacht.
Welche Anhaltspunkte haben Verkäufer, die alte Bücher loswerden wollen? Preisvergleichsmaschinen zeigen, wo der höchste Preis erzielt werden kann. So hat beispielsweise Bonavendi 26 Ankaufportale im Blick. Allerdings stimmen die angezeigten Preise nach meiner Erfahrung nicht immer mit denen überein, die die Anbieter tatsächlich zahlen. Will man den Aufwand beschränken, ist es ratsam, sich an Faustregeln zu halten. Jennifer Garic hat einige davon zusammengestellt:
„Grundsätzlich aber ist ein Merkmal nicht zu toppen: die Aktualität. Es gibt daher auch einen Weg, ganz sicher einen guten Preis für sein Buch zu bekommen: Am besten direkt von der Bestsellerliste weg lesen, verkaufen und kassieren.“
Gut erhaltene Exemplare ohne Macken und Markierungen erzielen natürlich bessere Preise als ramponierte. So gelangen beispielsweise Rezensionsexemplare, die Journalisten unaufgefordert zugehen, häufig noch im eingeschweißten Zustand als ‚gebrauchte‘ auf den zweiten Buchmarkt – und machen stationären, die Buchpreisbindung respektierenden Buchhändlern das Leben schwerer. Für gerade erschienene, neuwertige Bücher erhält der Anbieter in der Regel knapp den halben Ladenpreis, bisweilen aber auch erheblich weniger, je nach Abnehmer. Wer einfach nur ältere Bücher entsorgen will, verdient damit nicht viel: im Durchschnitt enthält ein Kundenpaket bei Momox etwa zwanzig Bücher, für die der Verkäufer knapp fünfzig Euro bekommt. Gleichwohl schneidet Momox, zu dem auch der Verkaufsplatz Medimops gehört, unter den zahlreichen Ankaufplattformen preislich nicht selten am besten ab. Auch bietet das Unternehmen die unkomplizierteste App, die sowohl rasches Scannen als auch – anders als etwa beim Konkurrent ReBuy – die manuelle Eingabe von ISBN-Nummern erlaubt.
Das Berliner Unternehmen ist ein Phänomen: Vor fünfzehn Jahren von dem damals arbeitslosen Kaufmann Christian Wegner mit einem Startkapital von 1000 Euro gegründet, hat es heute einen Jahresumsatz von rund zweihundert Millionen Euro. Das ist mehr als doppelt soviel wie die klassische Antiquariatsbranche, berichtete die FAZ am 21. Dezember 2019. Das Unternehmen ist der weltweit größte Händler auf Amazon und kauft täglich bis zu 150 000 Artikel an.
Ein unsentimentaler Markt
Glatter Workflow, effiziente Logistik: der Online-Handel mit gebrauchten Büchern ist ein gänzlich unsentimentales Geschäft. Vom klassischen Aniquariat mit seinen oftmals sehr belesenen, das gedruckte Buch liebenden Betreibern könnte es nicht weiter entfernt sein. Ausgerechnet eines der am stärksten symbolisch aufgeladenen Produkte, das ‚Kulturgut‘ Buch, ist zum Algorithmenfutter geworden. Ob unerfindlich hoch, deprimierend niedrig oder gänzlich wertlos: die Preise haben nicht das geringste mit den Inhalten der Bücher zu tun. Momox Geschäftsführer Heiner Kroke:
„Das Erfahrungswissen des klassischen Buchhändlers werden Sie bei uns nicht finden. Wir entscheiden auf Grundlage von Daten und Algorithmen. Ob wir ein Buch ankaufen, zu welchem Preis und wie lange wir es lagern, bevor es im Ausnahmefall irgendwann entsorgt wird, entscheiden bei uns nicht menschliches Bauchgefühl, sondern von Menschen entwickelte datenbasierte Algorithmen.“
Zu Recht stellt Hubert Spiegel daher fest, dass die Firmenstruktur des Ankaufriesen geradezu paradigmatisch für die neue, datengetriebene Ökonomie ist:
„Man benötigt viele Helfer für einfache Tätigkeiten und einige wenige Spezialisten. Von mehr als 1700 Mitarbeitern sind nur etwa zwanzig im IT-Bereich tätig.“
So ruht der Internethandel auf den Ideen, dem Design, dem Businesswissen und der IT-Kompetenz weniger – bei gleichzeitiger Abhängigkeit von Heerscharen schlecht bezahlter, gering angesehener Lagerarbeiter und Zusteller. Wer Gründe für den Verlust der gesellschaftlichen Mitte sucht, sollte auch einen Blick auf die Geschäftsmodelle der digitalen Transformation werfen.
Die Ökologie gebrauchter Bücher
Bequeme Lieferung nach Hause, niedrige Preise und Nachhaltigkeit durch Wiederverwendung: das sind die Gründe, warum immer mehr Menschen gebrauchte Bücher im Netz kaufen. Doch betrachtete man die Zirkulation der unzähligen Buchpakete auf einer Echtzeitkarte und erstellte man ein Wärmebild des durch permanente Preisberechnung erforderlichen Energieverbrauchs, verlöre der Gebrauchtbuchmarkt wohl rasch sein ökologisches Image.
Was also tun? Weniger Bücher kaufen? Gebrauchte Bücher verschenken? Sie spenden? All das sind Möglichkeiten. Welchen ökologischen Unterschied sie tatsächlich machen, können nur Experten sagen. Eines steht freilich fest: weniger zu lesen, ist auch keine Lösung.
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16. Januar 2020