Der Blog von Dirk Hohnsträter
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Ein Blick in Kundenmagazine (1): PORTER

Werbung, die käufliche Schwester von Journalismus und Kunst, will ihren Geschwistern immer ähnlicher werden. Sei es, dass sie in Form viraler Kampagnen Zeitthemen aufgreift, sei es, dass sie als Native Advertising die Ästhetik des Sachlichen absorbiert. Vorreiter der Grenzverwischung zwischen kulturellen und kommerziellen Inhalten waren Modejournale, fiel es dort doch immer schon schwer, redaktionelle Fotostrecken, Produktempfehlungen und Anzeigen auseinanderzuhalten. Unterdessen weitet sich der Unschärfebereich kommerzieller Kommunikation aus. Akteure wie Tyler Brûlé, Gert Jonkers und Jop van Bennekom treten zugleich als Journalisten und als Agentur auf: ersterer ist in Personalunion Chef des Multimedia-Magazins Monocle und der Agentur Winkreative, letztere sind zugleich als Macher des Journals Fantastic Man und als Art Director-Duo für den H&M-Konzern tätig. INVENTUR nimmt das Zirkulieren von Personen und Formaten zum Anlass, von Zeit zu Zeit einen Blick auf Kundenmagazine zu werfen. Wohin entwickeln sich Kommunikationsverhältnisse, die kein Außen des Ökonomischen mehr zu kennen scheinen?

Kundenmagazine (1) PORTER (powered by NET-A-PORTER)

Was für ein Coup! Durfte man bislang annehmen, Kundenmagazine kostenlos zu erhalten, so sind für das kürzlich zum ersten Mal erschienene Journal des Onlinehändlers Net-A-Porter 9,99 Euro zu bezahlen. Die aktuelle, 280 Seiten umfassende und in über hundert Ländern erhältliche Ausgabe (Spring 2014) sieht aus wie die Vogue, ist aufgebaut wie die Vogue, vollgestopft mit Anzeigen wie die Vogue, hat dieselben Rubriken, Fotografen und Autoren, doch der redaktionelle Teil entpuppt sich als Katalog der Net-A-Porter-Website, den man mit Hilfe einer App scannt, um dann direkt in den Webshop oder zu den Websites der Anzeigenkunden weitergeleitet zu werden.

Kundenmagazine Porter Magazin

Die Net-A-Porter-App nutzt die Technologie der Firma Layar, zu deren Produktpalette sogenannte augmented-reality-Anwendungen gehören. Interactive print heisst die von Net-A-Porter genutzte Variante. Wie auf unseren Screenshots zu sehen, hält man das Smartphone über das Heft, die Seiten werden gescannt, woraufhin eine Reihe von Options-Buttons erscheinen, die vor allem Weiterleitungen zu den angebotenen Marken oder Produkten anbieten.

Kundenmagazine Porter Magazin
Kundenmagazine Porter Magazin

PORTER plündert die Ästhetik vorhandener Magazine, reichert sie mit den auf der Website des Mutterunternehmens angebotenen Produkten an und verlangt für den als Journalismus verbrämten Bestellkatalog mehr Geld als die Vogue. Hut ab vor so viel Chuzpe!

Interessant ist das Heft nur als Geschäftsmodell, nicht als Modejournal. Kein Wunder bei einem Magazin, das mit einer 6000 Teilnehmerinnen umfassenden, globalen Fokusgruppe getestet wurde und als Teil eines 360-Grad-Konzeptes um das leere Zentrum der Bestellfunktion kreist. Abonnenten des sechsmal jährlichen erscheinenden Blattes erhalten neben „exclusive subscriber covers“ übrigens auch „complimentary access to the game-changing digital edition“. Game-changing, indeed.

Weitere Folgen dieser Reihe finden Sie hier.

14. März 2014