In der Hanser Box steckt – Amazon
Das neue E-Book-Angebot des Hanser Verlages, die Hanser Box, lagert auf Servern von Amazon, wie Recherchen dieses Blogs ergaben. Gibt es dazu keine Alternative?
Am 1. Oktober, eine Woche vor der Frankfurter Buchmesse, startete der Hanser Verlag sein E-Book-Projekt Hanser Box. Die Idee: gegen geringes Entgelt Texte anzubieten, die fürs gedruckte Buch zu kurz und für die Zeitung zu lang sind. Eine charmante und wohl auch aussichtsreiche Initiative, die umso erfreulicher ist, als ein wichtiger Akteur auf dem deutschsprachigen Buchmarkt smart handelt anstatt bloß zu lamentieren.
Doch was als Selbstbehauptung eines etablierten Verlagshauses erscheint, hat – wie Recherchen von INVENTUR ergeben haben – eine delikate Infrastruktur. Das Hosting der E-Books erfolgt nämlich durch die Firma Amazon.
Als ich auf der Buchmesse das Hanser-Angebot testete, zeigte sich beim Download folgendes Bild im Browser:
Die URL besagt, dass die technische Abwicklung der Hanser Box durch die Münchener Firma Snapload erfolgt. Snapload wiederum greift auf den Dienst S3 von Amazon Web Services („aws“) zurück, einen Speicher- und Abrufdienst von Amazon.
Rückfragen beim Verlag ergaben, dass dieser Umstand bei Hanser bekannt ist. Der Verlag betonte gegenüber INVENTUR, dass Amazons Hosting Dienst eine vom eCommerce-Geschäft des Konzerns aus Seattle getrennte Einheit bilde, die „offiziell“ keine „Nutzerdaten, Informationen über heruntergeladene Inhalte“ erhalte. Snapload habe sich bewusst für Amazon entschieden, da andere Wettbewerber „keine flexiblen Paketgrößen anbieten“.
Ob diese Einschränkungen zutreffen oder nicht, Amazon profitiert von der Hanser Box auch dann, wenn die Verkäufe der E-Books gar nicht über die Amazon-Website erfolgen. Wenn nicht durch Daten oder Vertriebsentgelte, so doch durch die Hostingkosten, die Snapload an Amazon abführt. Anders gesagt: Es fliesst auf jeden Fall Geld in die Kassen eines Unternehmens, dessen strategische Ziele unter anderem in der Abschaffung der Buchpreisbindung, der Erzwingung überzogener Rabatte von Verlagen und der Schwächung des lokalen Buchhandels bestehen.
Der Fall zeigt, wie tief Amazon bereits in den Strukturen des deutschsprachigen Buchmarktes verankert ist. Es ist eines, auf den Vertriebskanal Amazon nicht verzichten zu wollen oder zu können. Etwas anderes ist es, wenn die Endprodukte bei Amazon lagern und ausschließlich von dort bezogen werden können, nach außen jedoch als Verlagsangebot erscheinen.
Sollte es tatsächlich keine (ökonomisch oder technologisch überzeugende) Alternative zum Amazon-Hosting geben? Das bedeutete immerhin, dass selbst die Gegengewichte zum von Amazon dominierten E-Book-Markt auf Amazon angewiesen blieben. Amazon wäre immer schon da, sogar wenn Verlage vermeintlich eigenständige Angebote lancieren.
Es wäre aufschlussreich zu sehen, wie viele E-Book-Angebote – und Verlagswebsites – auf dem deutschsprachigen Buchmarkt direkt oder indirekt bei Amazon ‚gehostet‘ werden. Denn „die Cloud“ hat Name und Adresse. Verlage sollten sie transparent machen. Mehr noch: Sie sollten sich beim Hosting nach Alternativen umsehen.
Lesen Sie weitere Artikel über den Buchmarkt auf INVENTUR:
- Ein Gespräch mit dem Buchgestalter Friedrich Forssman über Qualität
- Ein Gespräch mit der Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs über Qualität
- Ein Gespräch mit den Berliner Autorenbuchhändlern über Qualität
- Die Buchbranche und das Internet
- Die Buchmesse und die Digitalisierung
- Wann wird ein Buch zum Bestseller?
- Was verraten Verlagsvorschauen?
- Kundenmagazine des Buchhandels
- Das Heft The Happy Reader
- Das Apple Buch